Mama Erde

Manchmal haben wir einen Traum. Wir schreiben ihn in unser Tagebuch, legen das Buch in eine Schublade und leben unser Leben. Die Zeit vergeht und eines Tages öffnen wir die Schublade. Wir nehmen das Tagebuch heraus, lesen den Traum und sehen, er hat sich auf eine ihm ganz eigene Weise verwirklicht.

So ging es Blaue Feder. Sie fand in der Schublade ihrer Kommode nicht nur eine Geschichte. Sie hatte vor 25 Jahren wohl mehrere Geschichten geschrieben. Sie fand auch zwei angefangene Illustrationen.

Eine Geschichte berührte sie sehr, weil sie von dem erzählte, von dem Blaue Feder auch heute erzählt. Es berührte sie, weil sie das Gefühl hatte, sie hatte den Faden wieder aufgenommen. Sie wollte wohl schon damals Geschichten erzählen. Lange Zeit waren ihr dann die Worte verloren gegangen. Nun fand sie die Worte in der Natur wieder.

Blaue Feder nahm gestern eine der Illustrationen von damals und malte sie zu Ende. Es fiel ihr leicht. Es machte ihr große Freude in die Farbenwelt der kleinen Anna einzutauchen. Es war ihr nicht fremd. Es war ihr noch sehr nahe und sehr vertraut. Deshalb möchte sie Euch gerne diese Geschichte erzählen.

Mama Erde

Hallo, ich bin Anna. Ich bin eine Seele genau wie Du. Vor ganz, ganz langer Zeit bin ich auf diesen Planeten gekommen, den die Menschen Erde nennen. Ich nenne sie liebevoll Mama Erde. Ich möchte Euch erzählen, was Ihr hier auf Mama Erde alles erleben könnt.

Mama Erde ist vor langer, langer Zeit irgendwo im weiten Universum entstanden. Zuerst war sie durchsichtig wie eine Kaulquappe; aber mit der Zeit wurde sie so wie wir sie heute kennen. Ein großer, dicker, runder Planet, so dick wie ein Elefant, auf dem viele, viele Lebewesen Platz haben und die Möglichkeit haben sich zu entwickeln. Mama Erde verändert sich mit der Zeit, so wie auch wir uns verändern. Sie wird jetzt wieder feiner. Seht Ihr wie sie anfängt zu glänzen?

Zurzeit gibt es fünf Naturreiche auf Mama Erde: Das Mineralreich, das Pflanzenreich, das Tierreich, das Menschenreich und das Devareich. Die Engel sagen, dass wir alle diese Reiche in unserem Erdendasein durchlaufen. Kannst Du Dir vorstellen, dass Du vor Millionen von Jahren vielleicht einmal ein Stein gewesen bist?

Stell Dir vor, Du bist ein Stein und liegst irgendwo an einem Strand. Vielleicht bist Du eckig, kantig. Durch den Wind und den Sand verändert sich ganz langsam Deine Form. Du spürst die Sonne, die Dich wärmt und den Regen, der Dich sauber wäscht. Vielleicht krabbelt mal ein Käfer auf Dir rum, der sich in der Sonne sonnt. Dann kommt ein Kind vorbei, findet Dich und wirft Dich ins Meer. Nun liegst Du auf dem Meeresgrund und das Wasser spült ein Loch in Dich hinein. Vielleicht sind kleine Fische um Dich herum und schwimmen durch Dein Loch und spielen Fangen. Die Wellen spülen Dich langsam wieder ans Land und Du bemerkst, Deine Ecken sind mit der Zeit rund geworden. Du bist ein schöner Kieselstein mit einem Loch. Wieder kommt ein Kind vorbei, findet Dich und nimmt Dich mit nach Hause. Es legt Dich auf die Fensterbank. Draußen vor dem Fenster steht ein großer Baum und Du fragst Dich wie es wohl wäre, ein großer stattlicher Baum zu sein.

Stell Dir vor, Du bist ein großer Baum. Deine Äste ragen wie viele Arme in den Himmel hinein. Viele, viele Blätter rascheln an Deinen Zweigen und flüstern sich Geschichten zu. Sie rauschen im Wind wie das Meer. Lustig kitzelt der Wind jedes Blatt und sie hüpfen vor Freude. Deine Zweige recken sich der Sonne entgegen, während sich Deine Wurzeln tief in die Erde bohren und wie Strohhalme das köstliche Wasser aus der Erde saugen. Du stehst einfach da und hast alle Zeit der Welt. Viele kleine, bunte Vögel suchen Schutz in Deinen Armen und bauen ihre Nester in Deinen Zweigen. Du schaust zu wie sie Eier legen, wie die kleinen Vögel schlüpfen und ihre ersten Flugversuche unternehmen. Unten an Deinem Stamm sitzt eine Katze sitzt und schaut hinauf, ob sie nicht einen Vogel erwischen kann.

Stell Dir vor, Du bist eine Katze. Mit Deinen Barthaaren ertastest Du die Welt. Du hast einen scharfen Blick, dem nichts entgeht. Die kleinsten Krabbeltiere nimmst Du wahr. Auch Dein Gehör ist sehr sensibel. Du reagierst auf jeden Ton, noch so fein wie ihn Menschen nie hören würden. Du stellst Dich schlafend, doch hörst Du die Maus in ihrem unterirdisch Gang rascheln. Du hörst Frequenzen, da träumen die Menschen nur von. Wie gerne würdest Du einen Vogel schnappen. Immer und wieder legst Du Dich auf die Lauer, selten fängts Du einen. Aber Du gibst nie auf und träumst davon wie ein Vogel fliegen zu können.

Stell Dir vor, Du bist ein kleiner Vogel. Du kannst fliegen. Du bist leicht wie eine Feder und schwebst durch die Luft. Du breitest Deine Flügel aus und lässt Dich vom Wind tragen. Du schaust nach unten und alles sieht ganz klein aus. Du fühlst Dich wie eine kleine Sonne hoch oben am Himmel. Die Engel sagen, die Vögel gehören zum Devareich. Deshalb können sie fliegen wie die Engel. Stell Dir vor, Du bist eine kleine Elfe und fliegst von Blüte zu Blüte. Stell Dir vor, Du bist ein großer Engel, der übers Land schwebt und schaut, ob alles in Ordnung ist. Du tanzt mit den Sonnenstrahlen. Du fliegst mit dem Wind. Du fließt mit dem Wasser und baust Dir einen Thron aus Erde. Stell Dir vor, Du bist ein Schutzengel und sorgst für einen Menschen. Vielleicht bekommt der Mensch es garnicht mit wie Du schützend, immer und immer wieder Deine Flügel um ihn breitest.

Stell Dir vor, Du bist ein Mensch, der mit allen seinen Sinnen wahrnimmt. Ein Mensch, der mit den Steinen spricht. Die Bäume sind Deine Freunde und Berater. Du setzt Dich zu den Pflanzen und sie verraten Dir, ihre Gaben. Du nimmst die kleinen Naturwesen wahr und auch die Geistwesen, die Dich begleiten. Du nimmst Dich selbst als Seele war und alle Wesen, die Dich begleiten. Du spürst wie belebt die Erde ist und wie Du ein Kind der Erde bist. Du bist nicht allein. Du bist eingebunden in einen großen belebten Kosmos hier auf Mama Erde.

Wie fühlt sich das an? Wie fühlt es sich an, ein Mensch zu sein?

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