Und es war gut so

Während Blaue Feder ihre letzte Geschichte schrieb, krabbelten zwei Zecken auf ihr herum. Ein Schauer lief durch ihren Körper und plötzlich fing es an, überall zu jucken. Zecken gehören mit ihren acht Beinen zur Familie der Spinnentiere und sie konfrontierten sie mit ihrer Angst. Nicht jede Zecke stach sie und nicht jede übertrug Borreliose. Beste Freunde waren sie deshalb noch lange nicht. Sie nahm ein Buch und trug sie raus. Bei der ersten Zecke war sie sicher, es war eine, bei der zweiten wusste sie es nicht genau, aber es gab wohl verschiedene Arten. Blaue Feder ging dieses Jahr mit der Zecke als Medizin. Im Herbst des vergangenen Jahres hatte sie eine Borreliose und zum Glück war nichts nachgekommen. Aber sie wusste, mit den Viechern war nicht zu spaßen.

Immer mal wieder fragte sie sich, ob ein Thema für sie dahinter verborgen war. Blaue Feder gehörte zu jenen Menschen, die sich gerne mal verausgabten, mit einem Hang die Welt oder zumindest jeden Menschen oder jedes Tier retten zu wollen. Die Welt zu retten, hatte sie aufgegeben. Mutter Erde war selbst im Begriff sich zu wandeln und wir in einem kollektiven Abschiedsprozess von der Welt, wie sie einst war. Den Menschen sprach sie ebenfalls eine Selbstverantwortung zu, sich selbst retten zu können. Blieben ihr noch die Tiere.

Sie erinnerte sich an das Seminar mit Cambra Skadé zum Medizin-Buch. Sie hatten eine Medizin-Wanderung gemacht. Auf der ersten Hälfte hatten sie wahrgenommen, welche Medizin ihnen die Natur schenkte und ob es ihnen leicht fiel, sie anzunehmen. Auf der zweiten Hälfte ging es darum ohne Wertung wahrzunehmen, welche Medizin sie schenken konnten. Beim zweiten Thema hatte Blaue Feder eine gewisse Ohnmacht verspürt, nach dem Motto, was hatte sie schon zu geben. Dann hatte sie auf einer Weide ein Schaf auf dem Rücken liegen gesehen und es kam alleine nicht wieder auf die Beine. Sie wusste, es würde qualvoll ersticken, wenn ihm nicht geholfen wurde. Sie ging kurz in sich und überlegte, wer wohl wissen könnte, wem die Schafe gehörten. Sie klingelte bei einem befreundeten Nachbarn. Er war nicht da. Sie klingelte bei einer Nachbarin. Sie wusste es auch nicht, aber schickte sie zu einem jungen Mann, der es wusste und gleich den Besitzer der Schafe anrief. Sie konnte dem Schaf selbst nicht helfen, aber sie konnte Hilfe holen und es war gut so.

Die Herbstanemonen öffneten ihre Blätter und die Schwalben wurden flügge. Bald schon würden sie in den Süden fliegen. Im Jahreslauf nahm das Sommermädchen langsam Abschied vom Sommer. Es war ein intensiver Sommer mit heißen Tagen und viel Regen. Sie hatte ihre Drachen-Geschichte veröffentlicht und sah gleich darauf eine Libelle durch in ihren Garten tanzen. In ihr formten sich die Worte:

Und es war gut so.

Auch ein paar Tagpfauenaugen fanden sich ein und ein Glückskäfer.

Im Medizin-Rad befanden wir uns jetzt im Südwesten und die Schnitterin setzte ihre Sichel an. Die Kräuterpflanzen befanden sich ihrer größten Kraft, überall lachten sie Blaue Feder an. Sie würde an einem sonnigen Tag hinausgehen und einen Kräuterbuschen pflücken. Die Schnitterin bewohnte den Westen des Rades, dort, wo es in die Tiefe ging, in das Land der Träumerin und der Visionen. Blaue Feder war schon mit den Krähen zur kleinen Hütte ins Moor gegangen und hatte ein bisschen nach Innen geschaut.

Dann lag das kleine getigerte Fellbündel in ihrem Garten und mit Konrad, dem Kühnen, kam eine neue Dynamik in ihr Leben. Wir wünschen uns unser Leben einfach und kontrollierbar, aber so ist es nicht. Immer wieder fordert es uns heraus, genau hinzuschauen, Entscheidungen zu treffen und mit dem zu gehen, was ist. So hatte auch noch die Heizung ein Leck und im Auto tropfte das Öl heraus – also wieder volles Programm.

Brauner Bär kümmerte sich um das Auto und Blaue Feder um die Heizung. Danach fuhr sie mit Konrad zur Tierärztin. Ohne Probleme ging er in die Trage-Box und maunzte nur leise. Die Taxifahrerin hatte selbst Tiere und brachte sie auch zu dieser Ärztin. Blaue Feder lernte die kleine kernige Ärztin kennen und war beruhigt. Sie stellte fest, dass Konrad, außer der Erkältung und den üblichen Parasiten, nichts fehlte. Er war wohl auch noch nicht so alt. Er bekam diverse Medizinen und dann wurde Blaue Feder bearbeitet, ob sie ihn nicht behalten könnte. Also nahm sie ihn wieder mit, waren die Tierheime eh alle überfüllt. Nach der ganzen Aufregung kackte er auf dem Rückweg in die Trage-Box. Die neue Taxifahrerin nahm es mit Humor und öffnete einfach die Fenster.

Brauner Bär war wenig begeistert und sie überlegten hin und her, ob sie eine Hütte aufstellen konnte oder eine Katzenklappe einbauen. Das Problem war die Dynamik der zwei Kater mit Taiga. Die Katze war damals zu ihnen auf den Schwalbenhof geflüchtet, weil die beiden Kater sie immer attackierten. Konrad ging es bald besser, er tanzte schon wieder auf den Tischen und Blaue Feder auf der Nasenspitze rum.

Sie beobachtet das Miteinander – auch wie Konrad wieder auf die Kleine losging. Er war nun der King auf dem Hof. Da merkte Blaue Feder, ihre Solidarität mit Taiga war größer. Sie hatte das erste Wohnrecht, soviel war schon mal klar. Wenn dann auch noch Kater Max dazu kam, lag Spannung in der Luft. Sie versuchte es systemisch zu betrachten und ihr kam der Gedanke, Konrad aus diesem System herauszunehmen.

Bei dem Gedanken an das System, fiel ihr wieder ihre Situation beim Brot-Job ein. Sie arbeitete auf dem Papier nur noch drei Tage, aber machte ständig Überstunden. Ihr war klar, sie musste es ändern. Vielleicht sollte sie sich selbst auch aus dem System herausnehmen oder zumindest gesunde Grenzen setzen.

Als i-Tüpfelchen merkte sie, dass ihr Oberschenkel juckte und sie entdeckte wieder eine Wanderröte. Weil sie seit Tagen Kopfweh hatte und sich abgeschlagen fühlte, fuhr sie selbst zu ihrer Ärztin, sich eine Woche krankschreiben zu lassen, um all die Baustellen zu sortieren. Im Wartezimmer saßen die Patienten hinter ihrem Handy und sie fragte sich, was wohl alle in ihrem Handy suchten – vielleicht Antworten.

Blaue Feder fragte sich auch, wie es nun mit Konrad weitergehen sollte. Sie unterhielt sich mit einer Kollegin, die auch gleich ordentlich die Trommel für Konrad schlug. Erst sah es so aus, dass die Freundin einer Kollegin, die 19 Jahre eine Pflegekatze hatte, ihn nehmen könnte. Aber sie meldete sich nicht.

Dann erinnerte sich Blaue Feder an die Drachinnen, die tief in der Erde die Schätze hüten. Sie erinnerte sich, wie sie bei dem Seminar zum Medizin-Buch eine Reise zur Schoßraumkraft unternommen hatten. Oft suchen wir im Außen nach Antworten und vergessen die Weisheit unseres Körpers zu befragen. Grad unser Schoßraum kann uns ein guter Kompass sein. Auf dem Seminar war sie in das Innere der Erde gereist zum Herzen von Mutter Erde, zu den Blauen Menschen und den Drachen.

Sie zündete sich eine Kerze an, machte es sich gemütlich und legte sich Trommelmusik auf. Sie bat ihre Spirits um Unterstützung zu der Frage: Wo geht es lang?

Nicht ihr Seelentier holte sie ab, sondern der kleine Konrad. Der sich dann allerdings in einen ausgewachsenen Tiger verwandelte. Sie stieg auf den Rücken des Tigers und er brachte sie in die Berge zu einer Höhle. Sie ging hinein in die Höhle, nun wieder den kleinen Konrad auf dem Arm. In der Höhle lag ein großer Stein, auf den sie sich legen sollte und Konrad auf ihr Herz. Dann nahm sie wahr, wie ihre Spirits sich um sie versammelten.

Es ging darum, die Kraft des Tigers oder der Löwin, mehr in ihr Leben zu integrieren. Sie ging bereits in ihrem Alltag mit dieser Kraft und Brauner Bär nannte sie schon immer Tiger, aber sie konnte diese Kraft der Katzen noch bewusster einzusetzen – auch energischer Grenzen setzen. Sie konnte kündigen, aber sie konnte auch den Job nehmen zum Üben, sich klar für ihre Bedürfnisse einzusetzen.

Für Konrad kam der Vorschlag eine Anzeige über whatsapp in ihren Freundeskreis zu schicken. Er brauchte einen Ort, wo er allein herrschen konnte.

Das tat sie und nun hoffte sie, dass sich jemand meldete, die oder der mit Konrad auf einer Welle schwang.

Während die Freunde die Trommel schlugen, saßen sie auf dem Hof herum und kuschelten. Sie schaute in seine gold-grünen Augen, die eine tiefe Weisheit vermuten ließen. Es würde ihr wehtun, ihn wieder ziehen zu lassen, aber es fühlte sich für alle Beteiligten stimmiger an und die Trommel hallte über das Land.

Am Abend hatte sich eine Freundin gemeldet, die zwei Dörfer weiter wohnte. Da musste aber der Partner mit ins Boot geholt werden. Wenn es klappen würde, konnten sie sich in Urlaubszeiten gegenseitig unterstützen. Eine Freundin aus Kiel hatte auch jemanden an der Angel, wo er auf einem Hof leben könnte.

Hoffnung auf ein liebevolles Zuhause keimte auf. Blaue Feder sah, wie Konrad am Abend wieder größere Kreise durch das Dorf zog und spürte, es war an der Zeit ihn gehen zu lassen und es war gut so.

2 Kommentare zu „Und es war gut so

  1. … danke für die wunderbare Geschichte, du hast mich wieder einmal abgeholt und mit genommen, jetzt komme sogar ich in einer vor… fühle dich liebevoll umärmelt 😘 Anja

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