Irgendwie blühte der Weißdorn in diesem Jahr besonders weiß. Er war spät dran und gab dafür alles, was das Zeug hält. Das war der Duft gewesen, der Blaue Feder vor kurzem am Morgen in die Nase stieg. Jetzt roch das ganze Dorf weiß, denn das ganze Dorf war umfriedet mit dem Dorn.

Blaue Feder fühlte sich ein wenig gestresst. Sie tanzte gerade auf zu vielen Hochzeiten. Sie hatte sich mal wieder zuviel vorgenommen und nun wusste sie nicht, was zuerst. Da half nur eine kleine Runde, um den Kopf wieder frei zu kriegen und wieder ins Herz zurückzukehren.
So drei Tage vor dem Neumond, war wohl eine gute Zeit noch einmal zu schauen, wie die Zeit seit dem letzten Neumond gewesen war. War noch etwas offengeblieben, gab es noch etwas zu klären, abzuschließen oder loszulassen? Jeden Monat gab es diesen Zyklus von Geburt, Wachstum, Fülle, Alter und Tod und jeden Monat eine Zeit der Dunkelheit, eine heilige Zeit der Läuterung, Reinigung und Erneuerung. Diesesmal sogar mit einer Sonnenfinsternis. In der Dunkelheit können wir nichts sehen, aber wir können uns unserem inneren Herzensraum zuwenden. Vielleicht lassen Träume den Weg erkennen?
Blaue Feder zog es zum Weißdorn. War sie gestresst, dann war der Weißdorn ihr Stressauflöser der ersten Wahl. Sie hatte eine alte Weißdorn-Dame, die sie gerne besuchte, wenn sie Heilung suchte. Der Weißdorn gehört ebenfalls zu den Rosengewächsen. Schau Dir seine Blüten an. Sie haben fünf Blätter und jedes hat die Form eines Herzens. Wenn da die Venus nicht ihre Finger im Spiel hatte! Blaue Feder ging noch einmal hinaus, bevor der Weißdorn seine Blüten verlor und tauchte in seinen Duft. Sie ging durch das Weißdorn-Tor auf der Weißdorn-Wiese und ließ alles los, was sie nicht brauchte.
Sie fand eine kleine weiße flauschige Feder. ‚Mach es Dir leicht‘, sagte sie. ‚Lass alles los, was Du nicht mehr brauchst.‘ – Da fielen ihr schon ein paar Dinge ein.
Sie setzte sich auf eine Bank bei einem Weißdorn und freute sich an der Wiese mit dem blauen Ehrenpreis. Eine Dohle tauchte auf. Wo eine Dohle auftauchte, da tauchen meistens mehrere Dohlen auf. Die Dohle liebt es gesellig. Im Grunde liebte Blaue Feder es auch gesellig, aber manchmal wurde es ihr auch zuviel und dann war sie wieder gerne allein.
Wenn sie Dohlen sah, hatte sie den Eindruck, es ging um ihre Grenzen. Es ging wohl um eine gesunde Selbsteinschätzung. Blaue Feder war von Natur aus neugierig. Doch manchmal war es weiser sich zurückzunehmen, wenn die Kräfte die eigenen Grenzen überstiegen. Sie musste auch nicht alles wissen.
Als sie so die Dohlen beobachtete, sah sie etwas weiter hinten ein roten Fleck auf und ab hüfen.

Aus der Ferne war sie sich nicht ganz sicher, doch dann erkannte sie den Grünspecht. In seine Medizin war sie schon einmal im Tal der Sprudelnden Quellen getaucht. Dort hatte sie sich ein Versprechen gegeben, immer gut auf sich aufzupassen.
Er ist ein Meister der Gedud. Er ernährt sich von Ameisen. Dieser große Vogel pickt gedudig kleine Ameisen auf. Das war es wohl, was er hier auf der Wiese machte. Spechte erinnerten Blaue Feder daran, ihrem eigenen Rhythmus zufolgen, dem Rhythmus ihres Herzens, auch wenn dies bedeutet, vielleicht den Weg allein zu gehen.
Der Weißdorn brachte sie schön runter und mal wieder merkte sie, wie wenig es eigentlich brauchte zum Glücklich-Sein. Sie ging wieder heim und bedankte sich für die schöne Weißdorn-Auszeit. Sie traf noch den Nachbar-Freund von nebenan und klönte eine Runde. Sie pflückte sich einen Stengel Baldrian für einen Tee, weil sie die letzte Nacht schlecht geschlafen hatte und sie war dankbar, weil sie alles hatte, was sie brauchte.
Auf ihrem Weg gab es einen kleinen Flecken Schilf und wo es Schilf gab, da gab neuerdings Blaukehlchen. Wieder sang ein Blaukehlchen und ein Weibchen antwortete.
Blaue Feder fühlte sich dem Blaukehlchen sehr nahe und ein Stück weiter wartete schon das Rotkehlchen im Weißdorn und sagte:

‚Herz ist Trumpf‘.
Was für wundervolle Herzbegegnungen ❣
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Herz-lichen Dank liebe Anna für’s Vorbeischauen. Ich wünsche Dir einen schönen Tag.
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Einfach mal loslassen – so eine wichtige Handlung und doch manchmal so schwer umzusetzen. Die Natur hilft da wirklich ungemein =)
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Ja, wohl wahr , liebe Anna. Mir gelingt es am ehesten, wenn ich in der Natur bin. Dann relativieren sich oft Dinge von alleine.
Drücke Dich, Susanne
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Selbst virtuell tut es gut, mit dir durch das Weißdorn-Tor zu gehen, liebe Susanne. Für mich ist der Weißdorn eine Großmutter-Pflanze, immer schon da, Heimat. Dazu der Specht, der seinem Weg folgt, frei von Wehmut. In der Natur ruckelt sich manches zurecht. Danke für den schönen Spaziergang und liebe Grüße!
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Ja, für mich ist sie auch eine alte weise Begleiterin und Heilerin bei so manchem Herzeleid. Drücke Dich, Susanne
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