Der Pfad der Entdeckerin

Die Herbst-Tag-und-Nachtgleiche lag bereits hinter ihnen. Farbenfroh hatten sie den Herbst begrüßt, hatten sie an diesem Tag gleich fünfmal den Ansatz eines Regenbogens gesehen. Vielleicht war es immer der Gleiche, doch schienen seine Farben immer über anderen Orten zu leuchten.

Als sie diese Woche wieder in die große Stadt fuhr, sah sie im Ansatz einen farbigen Ring um die Sonne leuchten und er erinnerte sie an die Regenbögen.

Ihre reguläre Bahn war ausgefallen und sie stieg in die Bummelbahn über die Dörfer. Sie fuhr über St. Michaelisdonn und erinnerte sich, was sie alles auf den Drachenpfaden im Urlaub erlebt hatte. Ihr Land mit seiner Geschichte war ihr noch näher gerückt, hatte sich noch mehr in ihr Herz geschlichen.

Sie hatte eine neue Karte auf ihren Altar gestellt. Es zeigte den Kirchenturm von Glastonbury. Blaue Feder war, zumindest in diesem Leben, noch nie dort und doch verband sie etwas mit diesem Ort. Er sprach ihr Herz an. Manche sagen, dieser Ort sei das Herz von Mutter Erde, andere bringen diesen Ort mit Avalon, der sagenhaften Apfelinsel in Verbindung. Ein Turm steht auf einem runden Hügel, ein schönes ausgeglichenes Sinnbild der weiblichen und männlichen Energien in Harmonie.

Manchmal träumte sie von diesem Ort und schritt langsam den Berg hinauf. Wie eine Spirale lag die Erdenschlange um den Hügel gewunden und vor ihr öffnete sich ein Tor.

Sie recherchierte ein wenig in der Weltenkiste und fand einen spannenden Reisebericht von Martin Gray, der sie berührte.

https://de.sacredsites.com/europe/england/glastonbury.html

Es war von Drachen und ihren Linien die Rede und der Vermählung der Energien von Michael und Mary, der weiblichen und männlichen Energien. Sie spürte ihre Forschungsreise war, wie das spiralförmige Emporschreiten auf den Hügel von Glastonbury. Schritt für Schritt entdeckte sie Puzzle-Teile, die sie mit einer alten Weisheit verband. Es war nur der Hauch einer Ahnung, der ihr Herz vor Freude ein wenig hüpfen ließ. Die Forscherin in ihr war begeistert. Noch setzte sich das gesamte Puzzle nicht zusammen. Sie wusste nur, sie musste weiter erzählen und mit jeder Geschichte kam ein Puzzle-Stück dazu.

Sie schaute den Eichhörnchen Ida und Pingala zu, wie sie emsig die Nüsse der Walnuss vor ihrem Fenster einsammelten und hier und dort vergruben – Nuss für Nuss.

Blaue Feder wollte auch von einer Insel berichten. Einer Insel, die ebenfalls ihr Herz ansprach. Vor 17 Jahren war sie schon einmal hierhergekommen und ihre Liebe für dieses wunderbare Stück Land in der Nordsee war entflammt. Es zog sie gen Westen und so möchte Blaue Feder ein wenig von Amrum oder Oomram erzählen, wie die Friesen sie nannten.

Im Westen tauchen wir in das Land der tiefschauenden Träumerin. Wie wunderbar ist es, wenn wir die heiligen Rückzugsorte kennen, das Lauschen, die Stille, die Zeit des Ruhens und der Langsamkeit.

Das Auto ließen sie in der Garage stehen, packten nur das Nötigste in ihre Trolleys. Sie wollten einen Urlaub ohne Auto machen. Die Ausstellung war erfolgreich, doch würde sie ihre Zeit brauchen, es spüren zu können. Alles ging so schnell. Der Wecker klingelte früh am Morgen. Sie waren noch müde. Im Bus war gute Stimmung. Alles funktionierte wunderbar – in Niebüll fanden sie sofort den Zug zur Fähre. In Dagebüll warteten schon viele Kinder. Sie schlossen sich den Kindern an. Beim Frühstück auf der Fähre schien die Sonne und sie staunten, was ein Brötchen kosten konnte. Sie vertrauten auf den Fährmann oder war es eine Fährfrau, die sie auf Insel brachte.

Nach dem Frühstück saßen sie auf dem Deck. Vorfreude auf ihren Urlaub breitete sich aus. Es windete sehr und bald fing es an zu regnen. So gingen sie wieder unter Deck. Vor ihnen saß ein älteres Paar aus Franken. Der ältere Herr erzählte Blaue Feder munter etwas mit einem fränkischen Dialekt und sie verstand nur wenig. Doch wünschten sie sich lächelnd eine schöne Zeit auf der Insel.

Ein Mädchen fragte, ob sie sich auf den freien Platz neben sie setzten durfte. Sie hatte schönes, dunkles Haar und tiefe mandelförmige Augen. Sie sprach etwas gebrochen deutsch und sie unterhielten sich. Sie war in der vierten Klasse und auf Klassenfahrt nach Amrum. Blaue Feder hatte sie schon beim Frühstück wahrgenommen, ging sie ihre eigenen Wege, etwas abseits der anderen Kinder. Sie fragte das Mädchen, ob ihre Klasse auch Mützen in einer Farbe hatten. Ihr war an Bord aufgefallen, das jede Klasse ihre Farbe hatte. Das Mädchen lachte:

Nein, solche Mützen haben wir nicht!

In dem, wie sie es sagte, schwang etwas mit, wie:

Ich doch nicht!

Wie das Mädchen plötzlich aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden. Blaue Feder hatte gerade einen Artikel über Schuluniformen gelesen. Irgendwie erinnerte sie diese Szene an ihre gemischten Gefühle beim Lesen des Artikels.

Die Fähre legte an der Insel an und sie folgten wieder den Kindern. Sie fanden ihren Bus. Dem Busfahrer sollten sie noch viele Male begrüßen, denn es gab auf Amrum nur eine Buslinie, die von Wittdün nach Norddorf fuhr. Doch das wussten sie noch nicht. Der Busfahrer machte an jeder Haltestelle seine Scherze, die er bei allen Neuankömmlingen machte. In Süddorf stiegen sie aus. Das Rosenhaus, ihr Quartier, fanden sie eingebettet in Rosen, wie soll es anders sein. Frau Barbara, sie war wie eine Art Concierge, begrüßte sie und sagte ihnen, wo sie einkaufen gehen konnten. Sie packten kurz ihre sieben Sachen aus und schon warteten sie wieder auf den Bus nach Wittdün.

Das Warten auf den Bus wurde zu einer lieb-gewonnenen Gewohnheit. Ohne Auto zu reisen entschleunigt wunderbar. Sie schauten, wie die Kinder es machten und spielten nach einer Weile ihre Spiele, wie das Autozählen. Jeder nennt eine Zahl, wieviel Autos kommen bis zum Bus. Wer am nächsten dran war, hatte gewonnen. Mal gewann Brauner Bär und mal Blaue Feder.

Wieder fuhren sie mit dem gleichen Busfahrer und schon nickten sie sich freundlich zu. Es brauchte seine Zeit bis sie alles für die Woche eingekauft hatten. Zurück fuhren sie wieder mit dem gleichen Busfahrer und langsam fragten sie sich, ob es nur einen Busfahrer auf der Insel gab. Dann saßen sie auf der Terrasse vom Rosenhaus tranken ihren Kaffee und aßen einen Himbeerkuchen. Die Sonne schien wieder und lud sie ein, zu einem Entdeckungsrundgang.

– Auch das Schreiben brauchte seine Zeit. Blaue Feder hatte vom ‚Entdecker-Pfad‘ erzählen wollen, doch war sie in ihrer Geschichte noch nicht zum eigentlichen Entdecker-Pfad gelangt. Wer weiß, vielleicht wandelte sie auch schon lange auf eben diesem Pfad – Runde um Runde den sanften Hügel hinauf. Sie würde ein anderes Mal mit ihrer Erzählung fortfahren, denn nun schien auch in Ostrohe die Sonne in ihr Fenster und lockte sie hinaus.

6 Kommentare zu „Der Pfad der Entdeckerin

    1. Liebe Elke, wir sind schon wieder zurück. Ich erzähle aus der Erinnerung, die aber noch lebhaft nachklingt. Ich hoffe, es bleibt ein wenig so. Fröhliche Grüße hören sich wunderbar an. Herzensgrüße zu Dir, Susanne

      Gefällt 1 Person

  1. So schön, man kann den Halo auf dem 2. Bild gut verfolgen, er spannt sich auf dem Ring um die Sonne und ist links noch als Schatten zu sehen. Wenn man das Bild etwas dunkler macht, sieht man ihn bestimmt. 🙂

    Liebe Grüße,
    Syntaxia

    Gefällt 1 Person

    1. Ach prima, nun weiß ich , dass der Ring um die Sonne ein Halo ist. Ich habe den Eindruck die Lichtphänomene werden mehr – vielleicht weil die Sonne auch aktiver ist. In echt sah es eindrucksvoller aus. Mein Handy macht nicht so gute Foto und ich saß in der Bahn. Vielen Dank für die Erklärung. Liebe Grüße, Susanne

      Like

Hinterlasse einen Kommentar