Voll das Leben!
Gestern noch saß Blaue Feder in der Großen Stadt in der S-Bahn und war umringt von jungen Mädchen, die alle Rucksäcke bei sich trugen, auf denen stand: ‚Voll das Leben!‘
Darunter war ein Fisch und ein Laib Brot abgebildet. Es war Fronleichnam und die jungen Menschen fuhren wohl zu einer Kirchentags-Veranstaltung.Heute erwachte Blaue Feder von dem Klopfen eines Spechtes. Sie war müde und der Kopf brummte noch etwas von der Arbeitswoche.
Es war Sommersonnenwende, aber sie fühlte sich nicht besonders. Die Zeiten in der Großen Stadt strengten sie oft an und sie war froh, dass sie hier auf dem Land ihre Oase hatte, wo sie wieder auftanken konnte. Auf ihrem Teppich vor dem Bett lag eine weiße Daunenfeder und erinnerte Blaue Feder an ihren Deal mit der Feder. Sie hatte sich innerlich ein Versprechen gegeben, wenn sie eine ‚Blaue Feder‘, sprich eine Feder vom Eichelhäher fände, dann würde sie den Geschichten-Blog veröffentlichen.
So zog sie heute los. Es wehte ein frischer Westwind mit leichten Böen und es waren auch einige dunkle Wolken am Himmel.

Bei dem kleinen Holzhaus am Ortsausgang war die Kolumbianische Fahne gehisst. Was Blaue Feder wohl heute entdecken würde? Sie war etwas traurig, weil sie im Alltag manchmal das spielerischen Entdecken aus den Augen verlor. Nun, es waren intensive Zeiten, die Allen viel abverlangten.
– Voll das Leben!
Es zog sie heute zur BroklandSau. Als sie auf das freie Feld hinaustrat, sah sie zwei Graureiher und eine Rehmutter mit ihrem Kitz. Einige Bauern waren unterwegs und mähten die Wiesen. Die Vögel hofften auf ein paar Leckerbissen. Blaue Feder schlug den Weg zur Broklandsau ein. Sie sah einige Hasen über die Felder huschen. Alles fühlte sich so lebendig an.
– Voll das Leben!

Eine Frau in Pink lief ihre Runde und die Frauen grüßten sich. Eine andere Lady in Pink stand hinterm Futterhaus. Hier gab es also auch pinke Mohnblumen und noch weitere pinke Blümchen lachten Blaue Feder entgegen.

Kurz vor der BroklandSau lag eine große schwarze Feder auf dem Weg – Schwarz mit ein bisschen Grau. Es war und ist wohl eine Storchenfeder.

Im Storchendorf Bergenhusen hatte sie sie sich überlegt, den Blog zu öffnen, wenn die Störche ihren Nachwuchs haben. – Vielleicht war dies ein Storchengruß. Kündigt ein Storch nicht den Beginn von etwas Neuem an? Nun, es war keine Feder vom Eichelhäher, aber eine sehr schöne und große Storchenfeder. Wie sie schön in der Hand lag. Wie sie sang, wenn Blaue Feder sanft über sie hinweg streichte. Am Großen Mondsee wollte sie sich setzen und lauschen, was die Feder ihr erzählte.
Blaue Feder ging erst einmal an der BroklandSau entlang und erschrak eine Entenmutter mit ihren Kindern. Die Enten stoben auseinander. Es tat ihr leid. Sie hatten viel Nachwuchs – wie schön.

Auf der abgemähten Wiese fand sie ein zweite Feder. Eine graue Feder von einem Graureiher. Sie fühlte sich den Graureihern sehr verbunden. Schon flog einer an ihr vorbei rüber zum Moor. Aber mochte sie nicht alle Vögel?
Ihr ging der Satz durch den Kopf: ‚Ich bin alle Vögel.‘ Was wollte ihr dieser Satz sagen? Mit dem Herzen verstand sie ihn, aber nicht mit dem Verstand.
Das Mädesüß blühte und verströmte seinen Duft. Sie stand noch eine Weile bei den Viechern. Wieder hatte sie nichts zum Knabbern dabei und die Viecher kommentierte es mit einem beifälligen ‚Jaja!‘

Ein Nachbar fuhr mit seinem Trecker vorbei und hatte ‚die‘ Holzleiter hinten drauf. ‚Die Holzleiter für den Badesee‘. Jedes Jahr brachte er die Leiter im Sommer zur Moorkuhle. Blaue Feder freute das. Manchmal sind es so die kleinen Dinge, die das Herz erfreuen.

Nun war die Badesaison eröffnet. Blaue Feder war nicht danach in den kalten See zu springen. Die Kuhle Nr. 49 brauchte immer sehr lange, bis sie sich aufwärmte. Sie war tief und kalt. Deshalb brauchte man auch die Leiter um rein und raus zukommen. Ein paar Wasserläufer eröffneten die Saison und sie konnte schon die Kinder, groß und klein, schreien hören, wenn sie ins Wasser sprangen.

Blaue Feder liebte ihr kleines Bullerbü. Hier war alles etwas übersichtlicher als in der Großen Stadt und jeder hatte so seinen Job. Sie war die, die mit der Kamera durch die Gegend lief, so wie andere ihren Hund ausführten. Blaue Feder mochte ihr Leben. Es war vielleicht manchmal etwas anders, als sie es sich dachte, aber irgendwie lebendig – so wie der Tag heute. Sie setzte sich an den Großen Mondsee und meditierte mit der Storchenfeder in der Hand so vor sich hin, als eine ganze Horde von Graureihern einfiel.

Blaue Feder beobachtet sie und dachte wieder bei sich:
‚Ich bin alle Vögel. Ich bin alle Blumen und Bäume. Ich bin alle Tiere. Ich bin die Natur. Ich bin die Liebe und ich bin das Leben. Ich bin in allem und fließe durch alles.‘
Blaue Feder ließ los und gab sich dem Fluss des Lebens hin. Das Leben berührte sie mal wieder tief und ein paar Tränen kullerten die Wangen herunter. Manchmal müssen auch die Tränen fließen. Bei ihr wohl etwas öfters, als bei anderen. Das lag wohl an den Sternen.
Ja, sie würde ihren Geschichtenblog öffnen, so wie er eben war, weil das Leben eben so ist wie das Leben eben ist auch ohne eine ‚Blaue Feder‘.
Sie machte sich auf den Heimweg. Kurz wurde sie noch einmal an den See gelockt. Sie pflückte ein paar Stengel des wohlriechenden Mädesüß. Sie liebte seinen Geruch. Sie würde sich das Mädesüß ans Fenster hängen und trocknen für schöne Träume.

Da erblickte sie eine kleine völlig zerzauste Feder im Gras. Sie wollte sie gar nicht aufheben. Sie hob sie doch auf und strich sie glatt. Und dann musste sie lachen.

Ihr könnte es Euch schon denken. Es war und ist eine Feder vom Eichelhäher.
Nun, wo sie das gerade schrieb, kullern schon wieder die Tränen. Ist das Leben nicht wundervoll? ‚Voll das Leben!‘
Hier ist er also wie versprochen, der Blog der Blauen Feder. Ich wünsche Euch viel Freude beim Lesen und Entdecken,
Blaue Feder