Die Geschichte von der Wasserfeder

Am Freitag-Morgen kam der Buntspecht in ihren Garten auf der Suche nach ein paar Körnern. Weiß -Rot-Schwarz erinnerte er sie, wie Vasalisa, die Weise die Alte nach den Mysterien der drei Reiter fragte. Die Alte antwortete, der weiße Reiter sei ihr Tag, der Rote ihre aufgehende Sonne und der schwarze Reiter ihre Nacht.

Ein Rotkehlchen nahm ein Bad und sah aus wie ein begossenes Rotkehlchen. Am Abend zuvor hatte Blaue Feder seinen Partner gesehen und es hatte sie erfreut, mal beide zusammen zu sehen.

Schon seit ein paar Tagen lachte sie der Hollerbusch vor ihrem Fenster an. Frau Holle stand in ihrem weißen Blütenkleid und fragte, ob sie sich nicht ein paar Blüten für einen Sirup holen wollte. Gerade bei Erschöpfung konnte der schwarze Holunder die Batterien wieder aufladen.

Blaue Feder zog sich an. Auf dem Hof brachen die Mohnblumen auf.

Dieser Vollmond wurde auch Blumen-Mond genannt, blühte und summte es überall. In der lieblichen Weigele summten die Bienen und im Fingerhut nebenan sah sie einen Plüschmors verschwinden.

Sie ging den kleinen Weg entlang, der zu ihrem Hof führte. Der Gärtner von Nebenan hatte im vergangenen Jahr alle Holler-Büsche ratzeputz runtergeschnitten. Das hinderte sie nicht, in diesem Jahr wieder zu blühen. Baue Feder begrüßte die alte Holler, nahm eine Nase voll und es war wie Heimkommen. Sie entschied sich erst eine Runde zu gehen und sich dann ein paar Blüten zu holen.

Als sie über das Land schaute fiel ihr ein, dass in China dieser Tage ein Feuerregenbogen über den Sanqing-Shan-Bergen gesichtet worden war. Sie hatte es in der Weltenkiste gesehen. Es hatte ihr Herz berührt, sah er ein wenig aus wie der Drache, den sie gerade webte.

Quelle: https://de.nachrichten.yahoo.com/atemberaubendes-naturph%C3%A4nomen-feuer-regenbogen-%C3%BC-080000062.html

Sie fing nun an, den Hintergrund zu gestalten und es ging ihr wie der Drachenmalerin; ihr Drache verband sie mit allem was war, mit den Bäumen, den Pflanzen, den Blumen, Vögeln und Tieren – alle waren ihre Ahnen. Wenn sie diese Verwandtschaft zu allen Wesen spürte, dann begegnete sie der Natur von allein mit Respekt und immer wieder gab es etwas zu entdecken, was Blaue Feder begeisterte.

Die Sonne war in den Zwilling gewandert und mit ihr die Venus. Etwa sechs Wochen wanderten die Beiden nun Hand in Hand am Himmelszelt. Blaue Feder hakte sich bei ihnen unter, denn mit den beiden zusammen gab es bestimmt einiges zu entdecken. Vielleicht war es ein Kurs in Wundern. Vermutlich musste sie einfach nur ihr Herz öffnen, um diese Wunder wahrzunehmen.

Allein in die Welt der Gräser zu tauchen war wunderbar, strahlten sie eine sanfte Leichtigkeit aus.

Sie begegnete vielen Libellen, die sie einluden mit ihrem Drachen zu fliegen.

In der Ferne beim Fuchsloch sah sie eine alte Holler stehen in einem besonders schönen weißen Kleid, die ihr zuwinkte. Jenseits der sieben Pappelschwestern begann ihr Zauberreich. Meister Lampe wies ihr den Weg.

Bald stand sie vor der Alten und begrüßte sie. Etwas unsicher tauchte sie in ihre Aura, in ihren Duft.

Die alte Holler umfing sie mit Liebe und sprach:

Mach Dich nicht kleiner und auch nicht größer, als Du bist.

Sei einfach Du, sei berührbar, sei menschlich.

Nimm Dir dreizehn meiner Blüten und tauche in meine Essenz.

Blaue Feder schnitt sich dreizehn Blüten ab, die vollgesogen waren mit der Energie der vollen Luna.

Drehe Dich um und sehe, was ich sehe.

Blaue Feder drehte sich um und sah das Land mit ihren Augen. Die alte Holler hatte hier einen schönen Blick über das weite Land.

Blaue Feder bedankte sich und fragte, was sie als Energieausgleich geben konnte.

Wenn Du möchtest, erzähle die Geschichte. Es ist mehr als genug.

Sie ging weiter auf den Fuchsloch und besuchte die alte Eiche. Manche sprechen bei diesem Mond auch vom Eichen-Mond und tatsächlich waren ihr unterwegs die kräftig-grünen Blätterkleider der Eichen aufgefallen, als stünden sie gerade in ihrer größten Kraft.

Oft hatte sie am Fuße der Eiche gesessen und über das Land geschaut wie die Holler. Doch war der Fuchsloch wild zugewachsen wie eine Höhle. Blaue Feder blieb eine Weile und lauschte einem Vogel, den sie nicht kannte und ließ das Erfahrene sacken.

Sie kam zu den Kräuter-Weiden. Manche nannten die Mondin dieser Zeit auch Kräuter-Mond, erlangten die Kräuter in dieser Zeit ihre höchste Heilkraft. So wurden zur Sommersonnenwende gerne Kräuterbuschen gesammelt.

Am Wassergraben lachte sie eine Kuckucksnelke an und dann entdeckte Blaue Feder im Graben noch ein andere Blume, eine zarte Kleine.

Wer bist denn Du?

Ich werde Wasserfeder genannt. Siehst Du meine Blätter, die wie Federn im Wasser liegen? Ich gehöre zu den Primelgewächsen, wie die Schlüsselblume, nur lebe ich in kleinen seichten Gewässern, wie Gräben und Tümpeln und versorge sie mit Sauerstoff. Schützend lege ich meine Federblätter über sie. Mittlerweile legen auch die Menschen schützend ihre Arme über mich, denn viele von mir und meinen Schwestern gibt es nicht mehr.

Das ist aber ein schöner Name. Der würde mir auch gefallen.

Er würde auch gut zu Dir passen, Blaue Feder.

Mit der Wasserfeder tauchte sie in das Wesen der Liebe. Berührt von dem Austausch mit dem zarten Blümchen im Wassergraben, verabschiedete sie sich und ging weiter zu ihrem Spindelbäumchen. Es sah kräftig aus und bekam schon Blütenansätze.

Weniger freute es Blaue Feder, als sie sah, dass die Wiese, wo eigentlich die wilden Stiefmütterchen wohnten, umgegraben und platt gewalzt worden war. Ein Fasan, ein Wächter der Wiese, saß etwas einsam und verloren auf der Ackerfläche. Er wusste auch nicht, was die Menschen hier vor hatten. Nicht immer war alles im Einklang mit der Natur, was sich die Menschen so ausdachten. Blaue Feder würde es beobachten, was hier geschah, hatte diese Wiese immer eine besondere Ausstrahlung. War diese jetzt verloren oder veränderte sich nur etwas? Blieb die Essenz erhalten?

Blaue Feder stapfte über den Acker, denn der Weg war auch fort.

Sie tauchte noch in den Zauber der Weißdorn-Wiese und hoffte sehr, dass diese bleiben würde.

Ein Eichelhäher kam geflogen, der ihr einst ihren Namen gegeben hatte, der Hüter der Wälder. In der vergangen Zeit waren immer mehr Zäune aufgetaucht auf ihrem Landstrich. Zum Glück gab es immer mal ein Loch im Zaun, durch das sie und die Tiere durchschlüpfen konnten.

Wieder im Dorf wurde sie jäh aus ihren Träumen gerissen. Das Dorf wurde rausgeputzt fürs Ringreiten. Der Dorfkümmerer püsterte das gemähte Gras mit diesem lauten Ding zusammen, das Blaue Feder nicht ausstehen konnte. Am Ende der Straße fegte eine Frau in Stille mit ihrem Besen – es ging auch anders!

Wieder auf dem Hof wurde sie von Max, dem Kater und einem wilden Stiefmütterchen begrüßt, das in einer Bodenritze erblüht war.

Beim Frühstück kamen sich die Schwalbenhofbewohner vor wie auf dem Frankfurter Flughafen. Es war ein reger Flugverkehr bei den Schwalben. Zu ihrer Freude, hatte sich ein drittes Schwalbenpärchen eingefunden. Die neue Bauweise hatte wohl Anklang gefunden. Es wurden auch schon Eierschalen unter den Nestern gesichtet. Es lag wohl an dem guten Wetter, dass die Schwalbenküken schon nach zwei Wochen schlüpften.

Nach dem Frühstück setzte Blaue Feder ihren Holler-Sirup an. Sie versuchte sich noch einmal an einem Kaltauszug mit Zitronen- und Apfelsinenscheiben. Nun standen die Gläser drei Tage in der Speisekammer, bis sie sie weiterverarbeiten konnte mit Birkenzucker. Allein der Duft beim Zubereiten war wunderbar.

Saß Blaue Feder dieser Tage zur Meditation in ihrem Garten, dann tauchte sie in die Weite ihrer Aura und legte schützend wie die Wasserfeder ihre Federblätter um sich, um das Land und wünschte sich wie die Buddhisten: Mögen alle Wesen glücklich sein.

2 Kommentare zu „Die Geschichte von der Wasserfeder

  1. …hier in meinen wäldern kenne ich grad

    acht höhlen, in denen buntspechteltern ihre jungen füttern.

    und gestern durfte ich minutenlang einem

    jungen schwarzspecht folgen, der fast pausenlos

    diesen ruf: „ich sitze jetzt auf DIESEM baum und könnte etwas zu essen vertragen“ von sich gab,

    im wechsel mit dem anderen typischen schwarzspechtruf: „achtung, ich wechsle jetzt von einem baum zum nächsten.“

    bei letzterem ruf war ihm deutlich seine jugend und „ich übe diesen ruf noch und kann ihn noch nicht so perfekt“ anzumerken.

    sooo goldig…

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    1. Lieber Aljoscha, das hört sich wunderbar an, so eins mit Deinem Wald. Einem Schwarzspecht bin ich hier noch nie begegnet. Einst auf dem Darß habe ich welche gesehen und war tief beeindruckt. Eine schöne Neumond-Zeit wünsche ich Dir, Susanne

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