Lausche den Steinen

Ein neuer Morgen erwachte in rosarot, als wäre nichts gewesen.

Blaue Feder hatte sich tags zuvor auf ein kleines Abenteuer eingelassen. Mal wieder tobte der Sturm über das Land und sie war in der Großen Stadt und wollte heimfahren. Den ganzen Tag fielen die Bahnen aus, weil Bäume auf die Gleise gestürzt waren. Am Nachmittag klarte der Himmel auf und Blaue Feder dachte – jetzt versuche ich mein Glück! Es fuhr tatsächlich ein Bummelzug nach Elmshorn und ein Bus sollte die Reisenden weiterbringen nach Itzehoe. So stieg Blaue Feder in einen Bus in Elmshorn, ohne zu wissen, dass es der normale Linienbus war, der an jeder Haltestelle hielt. Der Bus war voll mit Reisenden aus aller Welt. Sie bekam aber noch einen Sitzplatz auf einem Vierer. Eine Frau, etwas jünger als sie selbst, saß neben ihr und ein junger Mann gegenüber. Die Frau schimpfte die ganze Zeit über die Bahn und der junge Mann, der schon seit 24 Stunden unterwegs war, sprach in Seelenruhe auf sie ein. Sie machten eine Sightseeingtour durch Hohenfelde und sie stellte fest, dass es dort eine sehr schöne Kirche gab. Blaue Feder mochte solche Situationen, die aus der Reihe fielen. Die Frau allerdings war kaum zu beruhigen und so bot auch Blaue Feder ihr ein Nachtquatier an, falls ihr Zug nicht fahren würde. Dann stieg ein Kind ein mit zwei großen gelben Säcken mit Leergut. Der Junge setze sich zu den Dreien, war klitschnaß vom Regen und hatte strahlend schöne Augen. Er dutzte alle und fing an, lauter Fragen zu stellen, ob in der Großen Stadt auch Sturm war, ob die Kinder schulfrei hatten und noch viele Fragen mehr. Mit ihm entspannte sich die Situation und durch seine unbekümmerte Art wurde auch die Frau ruhiger. Der Busfahrer fuhr sie in Seelenruhe über das Land, während der Wind kräftig heulte. Er setzte die Reisenden außerfahrplanmäßig beim Bahnhof in Itzehoe ab. Alle bedankten sich bei ihm. Dann kam noch ein junger Mann und erklärte der Frau, wo sie langgehen musste. Da huschte ein Lächeln über ihr Gesicht und sie stellte fest. ‚ Mir wird ja von allen Seiten geholfen!‘ Es kam dann auch tatsächlich die Bahn, die sie nach Hause auf die Insel bringen würde. Auch Blaue Feder bekam noch in Heide den letzten Bus, der sie heim fuhr. Sie war fünf Stunden unterwegs für eine Strecke, für die sie sonst zwei Stunden brauchte, aber sie hatte viel erlebt.

Die Tage stand die Mondin voll am Himmel. Blaue Feder saß am Morgen in ihrem Bett und las ihr neues Buch von Tsültrim AllioneDie weisen Frauen Tibets‘ und schlürfte noch ihren Kaffee, als wieder die Falkin eine Runde durch ihren Garten drehte und sie zu einem neuen Abenteuer einlud.

In ihrem Buch schreibt Tsültrim Allione über die Rolle der Frau im tibetischen Buddhismus, die dort eher eine Nebenrolle spielen, werden alle wichtigen Ämter von Männern bekleidet. Soweit Blaue Feder wusste, war Tsültrim Allione die einzige weibliche Lama. Nichtdestotrotz hatte es immer Frauen gegeben, die auch im Buddhismus ihren Weg gegangen sind. Tsültrim Allione führten ihre Träume und Visionen dazu, dieses Buch zu schreiben, in dem sie die beeindruckenden Lebensgeschichten sechs weiser Frauen, die zwischen dem 11. und 20. Jahrhundert in Tibet lebten, erzählt. Blaue Feder liebte Lebensgeschichten, die eine Quelle der Inspiration für den eigenen Weg waren und sie in den Spiegel der eigenen Qualitäten schauen ließen.

So hüpfte Blaue Feder schnell unter die Dusche, zog sich warm an und gab erst einmal den Vögeln neues Futter. In der Nacht hatte es wieder ordentlich gestürmt. Die Mülltonnen und Gießkannen lagen verstreut auf dem Innenhof. Hatte der Wind mal wieder Fußball gespielt? Die Weidenfrau war nun gänzlich zusammengebrochen. Vielleicht konnte sie ein paar neue Weidenzweige holen und sie wieder aufbauen.

Blaue Feder wusste nicht wohin sie gehen wollte. Im Plattdeutschkurs war eine Künstlerin, die Steingräber und Steinkreise mit Naturfarben malte, die in Schleswig Holstein zu finden waren. Das fand sie spannend. ( https://kunstmalerei-naturfarben-flintbek.de/galerie-kunstmalerei.htm). So überlegte Blaue Feder zum Steingrab im Steenoben am Rande ihres Dorfes zu gehen. Doch war es ihr heute zu weit. Sie fühlte sich schlapp und so ließ sie sich führen.

Die Meisen holten sie ab und brachten sie ein wenig in Spiellaune. Die Haseln blühten schon kräftig und die männlichen Blüten hingen wie Goldregen von den Ästen. Naja, das Gold musste sie sich vorstellen, malte sich der Tag noch in Grautönen.

Sie folgte dem Weg der Haseln und dachte, sie könne mal die Alte Hasel im Moor besuchen. Ein Löwe lachte sie an. Eine kleine Fahne wehte an der Fahnenstange. Sie vermutete es war die Chilenische Flagge!? Na dann, auf nach Chile! Eine Krähe holte sie ab und die Wollsammler begrüßten sie. An den Weiden miauten schon die ersten Kätzchen.

Auf der kleinen Brücke über einem Ableger der BroklandSau glitzerte etwas ganz zart silbern. Nee näh, da lag schon wieder ein Stein. Ihre Schwägerin hatte sie vor Kurzem gefragt, ob sie wirklich alles so finden würde, wie sie es schrieb und ja, sie fand alles so, wie sie es erzählte.

Ein schwarzer Stein, wie ein kleiner Meteorit vom Himmel gefallen, lag auf der Mauer und lachte sie an. Blaue Feder stellte sich vor, wie ihre Sieben Schwestern, die Plejaden, alle naselang einen Stein vom Himmel fallen ließen, um die kleine Schwester auf der Erde zu erfreuen. Das Glitzerding erinnerte sie an einen Federballschläger oder war es vielleicht die volle Mondin oder ein Komet? Die Schrift konnte sie nicht lesen – das war ja mal wieder spannend!

Sie nahm den Stein diesmal mit und hielt in der Hand. Sie könne ja auch mal wieder einen Stein bemalen und irgendwo hinlegen. Der Stein wurde ganz warm in ihrer Hand.

Eine Schnecke sagte zu ihr ‚Walk in beauty‚.

Sie ging zur Alten Hasel und wieder schenkte ihr die Hasel eine Knospe, die nach einer Hand voll Haselnüssen schmeckte. Sie gab ihr frische Kraft. Es fing an zu regnen und Blaue Feder lauschte den Regentropfen. Doch schon bald kam die Sonne hinter den Wolken hervor und ein Schild lud sie ein, ins Ostermoor zu laufen.

Irgendwie hatte sie den Eindruck, etwas wolle in ihr sterben und es zog sie zum ‚Grab der Ophelia‚. Sie hatte diesen Graben im Wald so genannt, weil er sie an ein Bild der Ophelia von John William Waterhouse erinnerte, das sie in der Tate gesehen hatte. Der Graben war zur Hälfte mit Blättern bedeckt und die andere Hälfte war frei. Sie schaute in den Spiegel. Wenn sie etwas loslassen wollte, dann vielleicht dieses Gefühl von Mangel und sie gab es in den Schoß von Mutter Erde. Ihr war die Tage noch einmal bewusst geworden, in welcher Fülle sie lebte.

Die Sonne kam langsam heraus und als sie aus dem Wald heraus trat, strahlte sie die Sonne an, wie zur Bestätigung. Sie ging weiter zum Martinssteg und schaute wieder in den Spiegel und schaute sich auch den Stein noch einmal an, aber noch konnte sie die Schrift nicht lesen.

Auf dem Heimweg spürte sie wieder den schwarzen Stein in ihrer Hand. Sie dachte an all die Megalithgräber in Schleswig Holstein und es gab sogar einen Steinkreis mit neun Dolmen in einem Erlenhain. ‚Lausche den Steinen‘, schien der schwarze Stein zu sagen. Vielleicht war das eine neue Fährte. Im vergangenen Jahr hatten sie schon den Harkestein entdeckt. Die Gräber besuchen, konnte sie auch gut mit Brauner Bär zusammen, denn das machte beiden Freude. Schon in Albersdorf hatte sie den Impuls, das Megalith-Grab im Brutkamp aufzusuchen. Vielleicht konnte sie auch ihr Projekt mit den Naturfarben wieder aufnehmen. – Hach, es gibt so tolle Sachen, die sie machen konnte. Manchmal mangelte es ihr nur an der Zeit. – Hihi, da war es wieder dieses ‚Mangel‘-Wort.

In der Vollmondnacht träumte sie von ein paar Frauen, die gerne Vollblut-Künstlerinnen wären, wie sie selbst ja auch. Da kam die Frage auf – waren sie denn keine Vollblut-Künstlerinnen?

Sie saß noch eine Weile am Großen Mondsee, sah vier Gänsesäger auf dem See schwimmen und sie lauschte ihrem Stein – was wohl auf ihm geschrieben stand?

Daheim konnte sie es kaum abwarten, mit Vergrößerungen und Spielereien dem Schriftzug sein Geheimnis zu entlocken. Sie fühlte sich wie eine Steinzeit-Forscherin. Tatsächlich entschlüsselte sie sein Geheimnis. Das Glitzerding entpuppte sich als ein Spiegel und auf dem Stein stand geschrieben.

So zauberte der kleine Stein nun auch ihr ein Lächeln auf das Gesicht. – Das war denn wohl ihre Vollmondbotschaft!

‚You are beautiful‘

7 Kommentare zu „Lausche den Steinen

  1. Unterwegs unter Menschen wann und wenn es mal nicht sgnt. normal laüft
    Weißt *lach* ich provoziere, vielmehr initiere Das dann und wann
    Na ja und wenn mir so, geschieht meist Unerwartetes, sogar erstaunlich Wunderbares *g liab*
    Hmmm! k. A. ob Dir der Sound behagt. Wenn nicht *schmunzle* einfach nur schauen.
    FREE TIBET!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! but without those patriarcal monks

    Du schreibst Natürlichkeit in den sgnt.Alltag der keiner ist
    einen feinen Tag Dir
    Du auch Spitze deiner blauen Feder DU

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    1. Lieber Alex, ich lausche gerade Deinem Video und erfreue mich an den wunderbaren Tanzszenen, während sich draußen ein Meer von Wasser vom Himmel schüttet. Der Sturm geht in eine neue Runde und diesmal bin ich froh daheim zu sein. Meine Venus im Widder liebt das Abenteuer, früher die größeren und jetzt mehr die kleinen Alltags-Abenteuer. Herzensgrüße, Susanne

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