Goldregen und Fasanen-Medizin

Am Samstag gingen Blaue Feder und Brauner Bär gerne auf den Markt in Heide, denn dort gab es den leckersten Spargel und die passenden Kartoffeln dazu.

Blaue Feder spürte diesmal eine kribbelnde Aufregung, wollte sie sich die Drachenbilder von Monika Wessler, der Drachenmalerin, anschauen. Sie war begeistert von dem Anblick der Drachen rund um den St. Georg-Brunnen. Sie schaute sich ihre Bilder in Ruhe an und spürte sich hinein, welche Geschichte sie ihr erzählten. Es war eine feine und aussagekräftige Installation rund um den Drachentöter, die davon erzählte, dass es neue Drachenbilder brauchte.

Für Monika symbolisierten die Drachen die Lebenskraft der Natur, die uns Menschen mit allem verbindet was ist. Das konnte Blaue Feder unterstreichen. Monika selbst war nicht zu sehen – sie ließ ihre Bilder in Stille wirken, die für sich sprachen. Blaue Feder freute sich besonders über die Drachenreiterin, die sie an ihr eigenes Bild erinnerte. Gerne hätte sie ein paar Worte mit der Künstlerin gesprochen. Vielleicht würde sie ihr einfach schreiben und eine Rückmeldung geben.

Diese kleine Ausstellung gab ihr Kraft sich wieder an ihr eigenes Drachen-Projekt zu setzen.

Am Morgen des Pfingstsonntag ging sie ihre Runde. Gelb war der Mohn in ihrem Garten erblüht.

Goldgelb waren auch die Blüten des Goldregen. Noch nie war ihr der Goldregenbaum aufgefallen. Es war, als würde goldgelbe Energie von oben auf sie herabfließen von tausenden kleiner Schmetterlingsblüten. Unweigerlich fühlte sie sich wie Goldmarie und musste lächeln.

Sie ging hinaus aufs freie Land und folgte bedächtig einem Fasan, um ihn nicht zu erschrecken. Auf dem Weg lag eine Fasanen-Feder und sie hob sie auf.

Frau und Herr Reh sahen sie an und blieben einfach mal wieder stehen. Dann grasten sie in Ruhe weiter.

Meister Lampe steckte seinen Kopf aus der Wiese. Ein Wiesenpieper oder war es eine Lerche sang ihr Lied.

Wieder sah Blaue Feder einen Fasan, diesmal mit zwei Hennen auf dem Weg spazieren. Der Hahn flog hupend auf und die Hennen folgten ihm gemächlich.

Als Blaue Feder zum Moor abbog, fand sie wieder eine Fasanen-Feder. Sie lächelte, kam es ihr vor wie eine Einweihung. Hatte sie denn verstanden, worum es bei der Fasanen-Medizin ging?

Sie hatte ihrem Arbeitgeber ein Angebot unterbreitet, mit dem sie zum Ende des Jahres gehen konnte und sie war nicht gestorben, als sie es abschickte. Es war mehr wie eine stille Freude in ihr und eine Ahnung, wenn sich diese Tür schloss, sich eine Neue öffnen würde. Als Brauner Brauner Bär sie danach vom Bahnhof abholte, fragte sie ihn: Was machen wir jetzt mit dem Rest unseres Lebens? Er antwortete: Du suchst Dir ein neuen Job. Blaue Feder schluckte, denn es schien ihr die verkehrte Antwort. Vielleicht auch nicht, denn in diesem Moment ahnte sie, sie würde sich keinen neuen Job suchen, zumindest nicht gleich, und vielleicht auch gar nicht mehr. Sie wollte nicht mehr irgendwo angestellt sein, sondern ihre eigene Chefin sein, auch wenn sie keine Ahnung hatte wie das gehen sollte. Es würde sich finden. Sie würde sich eine Auszeit gönnen, sich erholen von dem Stress und lauschen, was dann kam.

Sie kam zu den Hochlandrindern und spürte diese Urkraft in ihnen und in sich selbst. Sie musste zur kleinen Hütte, zur Hütte der Baba Yaga und ihr entgegentreten. Ihr kamen noch einmal ihre Träume in den Sinn, der Traum vom Nichts-Tun, vom Eigenen und der Stille. Sie fragte sich, ob sie verstanden hatte, worum es für sie ging. Was hatte es mit dem Aufrichten auf sich?

Sie hatte den Eindruck sie konnte der wilden Alten Urkraft nur gegenüberstehen, wenn sie aufrichtig sich selbst gegenüber war. Baba Yaga war die Hüterin des ältesten Wissen der Welt. Die Alte kannte das Menschliche in all seinen Ausdrucksformen und Entwicklungen. Ihr konnte sie sowieso nichts vormachen. Wenn sie ihr gegenüber trat, musste sie ihre Frau stehen, weder unterwürfig noch überheblich. Sie musste ihr mit Respekt begegnen, dabei aber nur sie selbst sein, unverstellt in ihrer Einfachheit.

Die Schwertlilien gaben ihr Kraft und die Heckenrosen Sanftmut.

Sie kam zum See der Trauerseeschwalben. Fünf Nester waren belegt und Blaue Feder freute sich. Eine Möwe kam geflogen und wurde von den Trauerseeschwalben verjagt. Blaue Feder sah der Möwe hinterher und bewunderte die Wolkenspiegelung auf dem See hinter sich. In den Wolken war ein Loch, wie ein Durchgang in eine neue Welt.

Blaue Feder ging den Weg zur kleinen Moorhütte. Hinter der Hütte sah sie einen weißen Fleck und je näher sie kam, sah sie die Schwäne, die ihr Nest hinter der Hütte eingerichtet hatten. Es war ein schöner Anblick, der ihr Herz hüpfen ließ. Die Hütte war leer. Wo war die Alte?

Gerne hätte sie sich wo hingesetzt und wäre in die Tiefe getaucht, wenn nicht ein Schwarm Mücken sie umringt hätte und sie spürte, wie sie zustachen.

Sie suchte das Weite und floh auf die Sonnenseite des Sees, wo der Königsfarn stand. Sie musste lachen, wie mutig sie der Alten gegenübergetreten war. Sie streichelte die Blätter des Farnes und er lachte mit ihr. Dann sah sie das Sumpfblutauge blühen. Es hatte sich zu ihrer Freude ordentlich ausgebreitet.

Blaue Feder ging heim und fragte sich, ob sie nach dieser Aktion wohl noch eine dritte Feder geschenkt bekam. Aber wäre es nicht dumm gewesen, sich weiter von den Blutsaugern aussaugen zu lassen?

Bei ihren Nachbarn wehte eine unbekannte Fahne. Blaue Feder las ‚Maine‘. Hieß ‚maine‘ nicht sowas wie wesentlich. Vielleicht hatte die das Wesentliche verstanden.

Sie setzte sich noch eine Weile zu Ayla ihrer Dorf-Eiche und spürte ihren Mückenstichen nach. Ihr Auge war angeschwollen. Zum Glück juckten die Stiche nicht. Sie lehnte sich an den alten Stamm der Eiche und schloss die Augen. Dann fiel ihr ein, hatte sie nicht eine Fasanenfeder auf ihrem Altar liegen? Sie wünschte Ayla einen schönen Tag und was sie nicht sah, war, wie die Alte Eiche ihr hinterherlächelte. Tatsächlich lag auf ihrem Altar bereits die dritte Fasanen-Feder, die sie von Amrum mitgebracht hatte. Sie legte ihre zwei Federn dazu und freute sich.

Am Nachmittag saß sie in ihrem Atelier. Sie hatte sich entschieden, die Figuren im Hintergrund von Hand zu sticken. Von Hand zu nähen und zu sticken, hatte eine eigene Magie. Während sie in ihrem Atelier saß und die Steinhühner stickte, dachte sie noch einmal an ihren Traum von Amrum sich in der Kunst zu beheimaten. Und dann kamen wie aus dem Nichts einige Ideen zu ihr. Sie mochte sie noch nicht erzählen, dafür waren sie noch zu jung – aber sie erzählte sie Brauner Bär. Er lächelte und gab noch seine Ideen dazu.

Blaue Feder lächelte auch gerade, sah sie einer Amsel zu, die in der Vogeltränke ihren Badespaß hatte.

Mittlerweile waren auch die Pfingstrosen in ihrem Garten erblüht. Sie hatten es nicht eilig. Sie gehören zu den Hahnenfußgewächsen – wunderte es Blaue Feder?

Am Abend saß Blaue Feder in ihrem Atelier. Die volle Luna war hinter den Wolken nicht zu sehen. Sie schloss ihre Augen und der Regen prasselte aufs Dach. Es fühlte sich an wie Goldregen, den sie durch ihre gesamte Aura und ihren Körper fließen ließ. Es war ihr, als würden tausend goldgelber Schmetterlinge sie mit Leichtigkeit umfangen.

2 Kommentare zu „Goldregen und Fasanen-Medizin

  1. sooo schöne und viele fotos!!!
    den goldregen finde ich ganz wunderbar und mag ihn sehr.
    hier bei mir gibt es einige davon.

    das foto mit der wasser um sich spritzenden amsel ist köstlich!

    und die berufliche veränderung,
    beziehungsweise die angepeilte auszeit,
    wird dir bestimmt gut tun.

    liebe grüße aus der eifel in den hohen norden!
    aljoscha
    .

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  2. Danke für die lieben Grüße aus der Eifel. Nach der Leichtigkeit der Amsel sehne ich mich gerade, aber die beruflichen Veränderungen nehmen Form an, hat mein Arbeitgeber meinen Vorschlägen zugestimmt. Da fällt mir schon mal ein Stein vom Herzen. Dann schicke ich mal wieder Grüße aus dem Norden zurück in die Eifel, Susanne

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