Shamira, die Heilerin – Ein Duftveilchen-Traum

Die Sonne schien und die Temperaturen kletterten das Thermometer hinauf. Blaue Feder ging hinaus in den Garten. Sie hatte die letzten Wochen angefangen den Kompost umzusetzen. Erst einmal hatte sie alle Zweige entfernt und klein gehäckselt. Dabei kam ihr die Idee, einen Totholzhaufen neben dem Kompost anzulegen. Das war super für die Tiere, fand auch ein kleiner Zaunkönig, der sie auf dem Kompost begrüßte.

Dann siebte sie die Erde, damit Blätter und Holzteile, die sich noch nicht zersetzt hatten, herausgefiltert wurden. Das Prozedere ging ihr auf den Rücken und so musste sie eine Pause einlegen. Blaue Feder hatte sich zwei Frühbeete gegönnt und die wurden nun aufgebaut. Sie hörte auch Brauner Bär bei seinen Gartenarbeiten stöhnen. Die Wintersmüdigkeit steckte ihnen noch in den Knochen. Doch wieder mit den Händen in der weichen Erde zu wühlen, war belebend. Die Erde war das Gold einer jeden Gärtnerin, wie Mutter Erde das Gold aller Menschenkinder war.

Während sie so am Werkeln war, erblickte sie die ersten Duftveilchen in ihrem Garten und den kleinen schwarzen Kater von nebenan, der hinter einem Busch döste. Wie es in Ostrohe Brauch war, wurde das erste Veilchen des Jahres mit Freuden begrüßt und damit auch der Frühling. Wer die ersten Veilchen des Jahres begrüßt, blieb das ganze Jahr gesund, so hieß es.

Auch Theodor Storm beflügelte das Veilchen:

Der Frühling kommt, der Himmel lacht, es steckt die Welt in Veilchen.

Blaue Feder hatte sich tatsächlich für den Kurs Auf den Spuren von Hildegard Bingen angemeldet. Hinterher bereute sie es etwas, vielleicht hätte sie das Gold lieber im Garten vergraben sollen?

Meist suchte sie sich eine geistige Mentorin, die sie durch das Jahr begleitete. Im vergangenen Jahr war es die Künstlerin Toyen, die träumende Rebellin. Ein anderes Mal begleitete sie Hilma af Klint, die Malerin und Visionärin durch das Jahr. Jane Goodall, die Forscherin reihte sich ein in die Reihe starker Frauen. Vielleicht war es in diesem Jahr Hildegard von Bingen. Sie freute sich tiefer in das Leben dieser Mystikerin und Naturkundigen zu tauchen.

Voller Freude lief Blaue Feder zu Ayla und erzählte der alten Dorf-Eiche von den Duftveilchen. So kam es, dass ihr Ayla ihren ersten Wintertraum erzählte.

Stelle Dir vor, ich sah im Traum eine Frau, nicht mehr jung und auch noch nicht steinalt, die Runde um Runde ihre Wege durch das Tal der BroklandSau zog.

Du musst wissen, Ayla war bummlig 250 Jahre alt und hatte viele Menschen ihre Wege ziehen sehen. Es fiel ihr leicht die Zusammenhänge zu erkennen, die andere nicht so leicht erkannten. Überhaupt waren Bäume untereinander so vernetzt, dass ihnen nichts entging in ihrer Umgebung, nicht die kleinste Kleinigkeit.

Diese Frau entdeckte in ihrem Garten Duftveilchen. Diese zarten Blümchen hatten sich mit aller Kraft ihren Weg durch das alte Laub gebahnt. Sie waren klein und zart, aber hatten eine große Durchsetzungskraft.

Ich sah nun diese Frau Jahr für Jahr, Runde um Runde, ihre Erfahrungen mit den Duftveilchen sammeln.

Im kommenden Jahr, es war wieder März, stürmte es mal wieder im Tal der BroklandSau. Die Frau malte gerade ein Bild in ihrem Atelier, als die Sonne sie herauslockte und sie ihre Runde ging. Gleich beim Hof fielen ihr die vielen Veilchen auf, die gerade erblühten. Ihr Anblick küsste zärtlich eine Erinnerung wach. In diesem Jahr schon mutiger, nahm sie sich ein paar Blüten und goss sich einen Tee auf.

Allein der Duft, der ihr in die Nase stieg, war bezaubernd. Der Tee schmeckte wohlig warm und wie soll es anders sein nach Veilchen. Wärme breitete sich in ihrem Herzen aus. Sie schloss die Augen und es war ihr, als würden kleine violette Schmetterlinge um sie herum fliegen oder kleine Elfchen. Eine setzte sich auf ihre Nase und sie schielten sich in die Augen und mussten beide lachen.

Der Duft-Veilchenblüten-Tee schenkte ihr Leichtigkeit und gute Laune. Irgendwo hatte sie gelesen, dass er auch bei Asthma und Ängsten half. Das konnte sie sich gut vorstellen. Sie ging wieder in ihr Atelier und malte mit Violett weiter – Duft- Veilchen-Violett!

Sie begegnete dem Duftveilchen wieder im Wald, am Fuße der Buchen. Hier blühte ein ganzer Teppich Duftveilchen und sie nahm sich wieder ein paar Blüten für einen Tee mit und tauchte in seinen Duft. Damals schrieb jene Frau ihre erste Geschichte für eine kleine Zeitschrift, die Holunderelfe. Es war ein Same, aus dem eine kleine blaue Blume wachsen konnte

Ein anderes Mal begegneten sie einer Schwester der Viola odorata und staunte nicht schlecht. Eine Wiese voller Wilder Stiefmütterchen lachte sie an. So etwas hatte sie noch nicht gesehen. Eine zauberhafte Stimmung ging von der Wiese aus, als würden tausend kleine Gesichtchen ihr zulächeln.

Sie setzte sich in die Mitte der Wiese und schloss die Augen. Diese Veilchen waren so klein, aber was sie wahrnahm, war nicht klein. Es war eher wie ein großes violett-goldenes Lichtwesen über der ganzen Wiese. Ein bisschen sah es aus wie die Lichtspiegelungen der Sonne.

Daheim trank sie den wohlriechenden Tee. Es war ihr, als würde ein Violetter Mantel um sie gelegt. Sie hatte gelesen, dass Veilchen gut für die Haut waren. War die Haut unsere äußere Begrenzung, so hatte sie den Eindruck, das Veilchen konnte grade sensiblen Menschen helfen, sich ein wenig abzugrenzen. Sie entspannte sich und schlief eine Weile. Sie ließ einfach los.

Es war eine ähnliche Erfahrung wie mit dem Duft-Veilchen. Vielleicht kamen die Veilchen den Menschenkindern zu Hilfe in diesen Zeiten der Veränderung.

Der Name der Farbe Violett kam ursprünglich von Viola, was auf lateinisch Veilchen bedeutet. Obwohl es sich bei Violett um die Farbe mit der höchsten Lichtschwingung handelte, war sie faszinierenderweise gleichzeitig auch die Farbe, die am meisten beruhigte.

In den Blütenblättern der Viola tricolor fand sie die dreifaltige Große Mutter wieder, als Jungfrau, Mutter und weise Alte. Wildheit, Liebe und Weisheit verbanden sich in ihr in Harmonie. Sie tauchte in das Violett der Wilden Stiefmütterchen. Sie sprachen von Grenzen. Zu schauen, wann sie über ihre Grenzen ging. Vielleicht auch andere über ihre Grenzen gingen. ‚Nein‘ sagen zu können, war wichtig auf diesem Weg. Gut auf sich acht zu geben. Liebevoll sich um ihren Körper zu kümmern, hatte sie nur diesen einen.

Im dritten Jahr lachte sie ein Steinaltes Mütterchen auf dem Hof an und sie entschied sich, eine kleine Runde in den Wald zu gehen. Nun kannte sie die Orte, wo die Veilchen wohnten. Die Ereignisse der Tage hatten sich kalt um ihre Lungen geschlungen. Sie fröstelte, schniefte, hustete und hatte Halsschmerzen. Sie ging zu den Duftveilchen und beobachtete eine Erdhummel, die tief in die Kelche tauchte und sich am Saft der Duftveilchen satt trank.

Die Duftveilchen schenkten ihr wieder ein paar Blüten und auch sie trank sich am Tee satt, bis sich der Schleim löste und es ihr besser ging.

Sie saß am Fenster, die Sonne schien, sie schlürfte ihren Duftveilchenblüten-Tee und lächelte, wenn sie auf eine der Blüten biss. Es fühlte sich friedlich in ihr an. Draußen im Garten flogen ein paar Schmetterlinge vorbei, ein Zitronenfalter und ein Brauner Fuchs. Sie schaute ihnen zu, mit welcher Leichtigkeit sie durch ihren Garten flogen.

Sie hatte gerade die Geschichten von Nis Puk gelesen. Adam Veilchen hieß der Dichter, der die Abenteuer von Nis Puk aufschrieb. Sie hatte den Eindruck, die Nissen oder Pukken begleiteten sie schon viele Jahre. Sie saßen ihr wohl auf der Schulter und flüsterten ihr die Geschichten ein, gaben ihr Hinweise und Zeichen.

Wie Adam Veilchen hatte die Frau ihre Erfahrungen aufgeschrieben.

Blaue Feder hatte beim Erzählen die Augen geschlossen und sah die Frau durch das Tal ziehen. Nun öffnete ihre Augen und grinste Ayla an. ‚Die Frau, von der Du geträumt hast, das bin ja ich.‘

Ja, liebe Blaue Feder, ich sehe Dich, wie Du hier deine Runden ziehst und es freut mich und alle Deine Natur-Freunde.‘

Sie erinnerte sich, wie sie zum Neumond in ihrer Meditation mit Pucca, ihrem Trollmädchen, hoch in die Krone von Ayla geklettert war und dort ein Nest gefunden hatte. Darin lag ein Goldenes Ei und ein kleiner Goldener Drache schlüpfte aus dem Ei. Sie hatte sich dann mit Pucca und dem kleinen Drachen in die Äste gesetzt und mit den Beinen gebaumelt. Leichtigkeit umfing sie.

Blaue Feder bedankte sich bei Ayla für den schönen Traum. Ihr wurde bewusst, sie hatte über die Jahre schon viele Wirkweisen der Pflanzen am eigenen Leib erfahren. Würde sie ihre Aufzeichnungen durchgehen, würde sie vermutlich zu jeder Heilpflanze ihre eigenen Erfahrungen finden. Ihr wurde klar, sie brauchte den Kurs nicht. Es lag nicht an dem Kurs. Sie hatte hineingelauscht, er war wunderbar und liebevoll von Birgit Straka vorbereitet. Blaue Feder lernte einfach anders und, was sie zu lernen hatte, war Vertrauen zu finden in die eigene Wahrnehmung und in die innere Führung. Blaue Feder lernte dieses Vertrauen in der Natur. Sie lernte nicht wie in der Schule, in dem sie theorethische Fakten sammelte, sondern in dem sie sich leer machte und ihr Herz öffnete für die Natur. Und sie ging lieber achtsam wahrnehmend durch die Natur, als vor der Weltenkiste zu sitzen.

Das Duftveilchen war eine zarte Pflanze, wie sie selbst. Die Tinktur vom Duftveilchen half ihr, das nötige Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu finden.

In der vergangenen Nacht wachte Blaue Feder auf und überlegte, ob sie den Kurs widerrufen konnte? Tatsächlich konnte sie einen Online-Kurs zwei Wochen lang stornieren. Es war gut zu wissen, wenn sie mal wieder der Versuchung erlag.

Beruhigt schlief sie wieder ein und träumte von einer Heilerin. Sie stand vor ihrer Tür und auf dem Schild stand ihr Name. Sie hieß ‚Shamira‘.

Shamira‘ hieß übersetzt wohl ‚Die Beschützerin‘.

Ihr wurde die Tür geöffnet und sie wurde zu der Heilerin gebracht. Sie mochte die Heilerin, aber eine Heilung sollte 1.000,-€ kosten. Sie sagte der Heilerin, sie hätte keine 1000,- € und ging traurig wieder. Dann war sie in einer Gruppe von Frauen unterwegs. Da kam die Heilerin zu ihr und nahm sie in den Arm. Blaue Feder weinte. Zusammen schauten sie sich an, warum sie so leicht zu verunsichern war. Es war ein Faden ihrer Geschichte.

Es war vielleicht etwas, was sie mit Hildegard von Bingen gemein hatte. Sie hatte gelesen, Hildegard von Bingen sei Zeit ihres Lebens unsicher gewesen und von zarter Gesundheit, was sie nicht davon abhielt, ein profundes Werk ihrer Forschungen zu hinterlassen.

Am Morgen setzte sie sich an die Weltenkiste und stornierte den Kurs. Es ging problemlos. Nun träumte sie von ein paar Heilpflanzen, die sie gerne in ihrem Garten ansiedeln wollte. Sie brauchte ihre Zeit wohl für den Garten und auch um Veilchen-Ostereier zu Malen.

By the way – die Frühlingsausgabe der Holunderelfe ist gerade erschienen mit vielen Frühlings-Inspirationen zum Thema Mut.

2 Kommentare zu „Shamira, die Heilerin – Ein Duftveilchen-Traum

  1. sehr schön geschrieben liebe susanne!
    feine lange geschichte.
    sehr gerne gelesen.

    ich habe heute nach der arbeit eine runde in meinen wäldern gedreht
    und war begeistert, wie viel huflattich zur zeit blüht.
    etwa fünf stängel habe ich gemümmelt und
    war wieder ganz begeistert von diesem schönen geschmack.

    liebe grüße aus der eifel!
    aljoscha
    .

    Gefällt 1 Person

    1. Lieber Aljoscha, schön von Dir zu hören. Der Huflattich begeistert mich auch immer wieder. Es sieht toll aus, wenn die knallgeben Blüten auf der schwarzen Moorerde erblühen. Er wächst an der alten Ulra. Er gehört zu den Pflanzen, die ich gerne in meinem Garten hätte. Liebe Grüße, Susanne

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