Immer mal wieder hatte Blaue Feder von den Dunkelnächten oder Sperrnächten gelesen. Die Rede war von den dunkelsten Tagen im Jahr zwischen dem 8. Dezember und der Wintersonnenwende. Wenn sie diesem Brauch auch nicht explizit folgte, so ging sie doch die Tage Monat für Monat noch einmal durch die Räume ihres Geschichtenhauses mit seinen Geschichten.

Sie betrachtete noch einmal liebevoll, was sich ihr gezeigt hatte und welche Bilder sie gewebt hatte. Im Frühjahr war sie mit dem Lungenkraut auf die Fährte gegangen, hatte den Lungenkrautlibellen-Zauber gewebt und an einen Haselzweig aufgehängt.

Hier und da räumte sie ein bisschen auf, nahm mit, was ihr gefiel und schloss die Räume dann hinter sich zu.
Die Geschichte vom ‚Blauen Haus unter der Linde‘ nahm sie mit. Sie war noch nicht fertig gewebt und sie vermutete es würde eine warme Kuscheldecke werden. In einer Ecke fand sie etwas vermüllt ihre Einkommsteuererklärung. Diese wollte sie noch unbedingt in diesem Jahr abschließen.
Doch vorher ließ sie sich ein wenig von den Eiswelten verzaubern, sah den Weidenröschen in ihren Eisröcken beim Tanzen zu. Die Pömpel trugen Puderzuckerhäubchen und das Schilf zeigte ein Ballett im Schlangensee.
Überall glitzerten Kristallsterne, lachten sie weißen Schneewesen an und sie erinnerte sich, wie die Menschen im Norden am 13. Dezember das Lucia-Fest feierten. Die weiße Jungfrau, die den Frühling verkörpert, kommt in der dunkelsten Zeit, um uns daran zu erinnern, dass das Licht zur Wintersonnenwende wiedergeboren wird. So trägt der Winter bereits den Samen für den Frühling und das kommende Jahr in sich. Eine schöne Nacht zum Orakeln.






Nach dem weißen Winterzauber konnte sie sich den Zahlen widmen und die Fortsetzung vom Wegwartentraum erzählte sich, wie von alleine.
In den Schlehen

Auf dem Weg lag eine Feder von einem Grünspecht. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Es war ihr, als würden sie wieder in einen Zauber tauchen.
Zunächst einmal trafen sie eine Horde von Kindern mit einer Wald-Frau, die den Kindern allerhand erklärte. Sie gingen wieder in den Serrahner Wald. Es war hier hügelig. Auf der rechten Seite führte ein kleiner Weg den Berg hinunter zum Mühlenteich, wie sie hofften. Der Weg war mit gelben Bändern markiert. Alle naselang wehte ein gelbes Band an einem Baum. Wie auf einer Schnitzeljagd folgten sie den gelben Bändern. Blaue Feder liebte Schnitzeljagden. Da wurde sie selbst wieder zum Kind. Zur linken Hand tauchte tatsächlich der Mühlenteich auf. Plötzlich spielte Brauner Bärs Kreislauf verrückt und sie mussten eine Pause einlegen. Sie kamen sich vor, wie zwei alte Menschen mit der Schaufensterkrankheit, die alle paar Meter stehen bleiben mussten.
Wieder hörten sie die Kinder lachen, die ihnen diesmal entgegen kamen. Sie waren den Weg wohl anders herumgegangen. Sie fragten die Wald- Frau, wohin dieser Weg sie führen würde. Zur Goldenbaum-Mühle war ihre Antwort. Zur Steinmühle hätten sie den Hauptweg geradeaus weitergehen müssen. So gingen sie den Weg der gelben Bänder weiter, bis er jäh endete.
Sie kamen nicht, wie gehofft, weiter am Mühlenteich entlang, sondern mussten oben auf dem Bergrücken weitergehen. Irgendwann sah Blaue Feder über dem Feld die Kirchenspitze von Goldenbaum und sie landeten wieder auf dem Goldenbaumweg. Auf dem Weg lag eine große schöne Feder von einer Eule. Die Eule gab ihr den Rat, weise zu navigieren.
Sie liefen den Goldenbaumweg noch eine kurze Weile in die entgegengesetzte Richtung in der Hoffnung die Goldenbaum-Mühle zu finden, aber sie fanden sie nicht. Sie kamen sich vor wie in Irland, wo sie selten das gefunden hatten, was sie gesucht hatten. Von daher kannten sie das Spiel und gingen mit dem, was ihnen gezeigt wurde, wie die wunderbare Eulenfeder.
Es war wieder sommerlich heiß und bald drehten sie um und gingen zurück nach Goldenbaum. Sie machten eine Kaffeepause. Brauner Bär war froh wieder daheim zu sein. Blaue Feder hatte hinterm haus ein paar Schafgarben gesehen. Die brühte sie ihm auf, damit sich sein Kreislauf erholte. Dann aßen sie ein Stück Pflaumenkuchen.
Brauner Bär ging es bald besser und so machten sie sich noch einmal zu Fuß auf zum Schlehengang. Sie pflückten eine große Schüssel voll. Während sie in den Schlehen hing, hörte Blaue Feder Schlehengeister -Ohh und Ahh- sagen und sie staunte mit ihnen, den inmitten der Schlehen, sah sie dick, blau und rund, wie diese eine neue Erde aufsteigen. Schön sah sie aus, eben wie neu und Blaue Feder hörte sich selbst auch -Ohh und Ahh- sagen.
Der Grünspecht rief, sie sah ihn davonfliegen und Blaue Feder spürte, nun war der Zauber vorbei.
Im Grunde waren sie einmal im Kreis um ein großes Feld gelaufen, auf dem viele Wegwarten blühten und waren in ihren friedlichen Zauber getaucht. So lernten sie die nähere Umgebung langsam kennen. Sie radelten zurück, Blaue Feder fror die Schlehen ein, die der Legende nach erst süß werden, wenn sie Frost bekamen. In Wirklichkeit ließen sie sich einfach viel Zeit zum Reifen.
Blaue Feder und Brauner Bär legten sich daheim eine Runde aufs Ohr. Am Abend trafen sie sich wieder auf der Veranda, spielten Scrabble und Brauner Bär gewann. Als die Sonne unterging, wurde es schnell kalt und sie schauten sich einen spannenden Dokumentarfilm über eine Land-WG an.
wie so oft:
gerne gelesen 🙂
hab´s gut heute, liebe susanne!
aljoscha
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Lieber Aljoscha, vielen Dank fürs Vorbeischauen und die liebe Rückmeldung. Hab Du auch einen schönen Tag heute, Susanne
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Das lebendige Licht der Lucia war gestern für uns in der nordischen Dunkelheit eine Wohltat für die Seele. Den Begriff Spernnächte/Dunkelnächte habe ich noch nie gehört. Spannend!
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Ja, liebe Malin, bei Euch wird es bestimmt gefeiert. Wie schön! Ich glaube, ich habe mal auf dem Blog von Arte Dea rüber die Sperrnächte gelesen. Ist im Grunde ein Jahresrückblick. Herzensgrüße, Susanne
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