Der Traum von der Weg-Warte

Blaue Feder erwachte am Morgen aus ihren Träumen. Es war Krieg in ihrem Traum und doch wuchs überall auf den Wegen und Feldern ein Meer von blauen Blumen.

Sie malte gerade ein Bild in Blau und Pukka leistete ihr Gesellschaft.

In Goldenbaum hatte sie auch von den blauen Blumen geträumt, die das ganze Dorf in ihren Duft hüllten. Sie hatte sich jeden Morgen einen Tee aus ihren Blüten bereitet. Überall auf den Feldern und auf den Wegen wuchsen die blauen Weg-Warten. Sie hatte eine Wegwarte malen wollen, war aber nicht dazu gekommen. Wieder daheim fand sie eine Wegwarte getrocknet in ihrem Skizzenbuch.

Die Wegwarte erinnerte sie an eine Geschichte, die Maria, die Geschichtenerzählerin an den Drachensteinen erzählt hatte. Sie handelte von einer Jungfrau, deren Liebster in den Krieg gezogen war. Er war gefallen und doch wartete sie Jahr um Jahr am Wegesrand, bis der liebe Gott oder die liebe Göttin, vielleicht auch beide gemeinsam, ein Einsehen hatten, ihr Leid beendeten und sie in eine Blaue Blume verwandelten, die uns nun ein Lächeln auf das Gesicht zaubert, wenn wir sie sehen.

Die Bachblütenessenz der Wegwarte wird jenen gegeben, die sich gerne viel um andere kümmern und sich in der Selbst-Liebe und Selbst-Genügsamkeit üben dürfen. Blaue Feder berührten ihre Blüten sehr, die sich am Morgen gen Osten zur Sonne öffneten, um nur einen Tag zu blühen.

Blaue Feder war zurückgekehrt aus ihrem Ur-Laub mit vielen Eindrücken, hatte sich in ihr Atelier zurückgezogen zum Malen und ihre Geschichte von Goldenbaum zu schreiben. Bevor sie in den Ur-Laub gefahren waren, hatte sie ihr Buch von den wilden Brokland-Säuen als Fotobuch zum Druck gegeben. Es war in der Post, als sie heimkehrte. Doch war sie enttäuscht, als sie es sich in Ruhe anschaute. Viele Bilder waren unscharf, manchmal war der Text nicht gut zu lesen, weil der Hintergrund zu unruhig war. Auch in den Texten fand sie viele Passagen, die sie hätte schöner schreiben können.

‚Ach, hätte sie sich doch Zeit gelassen!‘

Sie ärgerte sich, war ein solcher Fotodruck sehr teuer. Da fiel ihr ein, in ihrem Zimmer in Goldenbaum – sie war im Kinderzimmer untergebracht – lag ein großer Spiel-Teppich mit

‚Mensch-Ärgere-Dich-Nicht!‘

Blaue Feder war kein Kind von Traurigkeit. Sie hatte nun ein Werk-Buch, mit dem sie weiterarbeiten konnte. In der Weltenkiste sah sie oft die Fehler nicht. Es war schöner eine ausgedruckte Version in Händen zu halten. So konnte sie das Buch nun auf jeder Fahrt in die Große Stadt mitnehmen und immer mal ein-zwei Geschichten überarbeiten.

Sie war auch enttäuscht, weil sie ihr Manuskript an einen hiesigen Verlag geschickt hatte und keine Rückmeldung bekam. Sie blieb dran und die Krähen in der Walnuss krächzten ihr zu: ‚Habe Geduld und warte ab.‘

Dann war da noch der Krieg, der einfach nicht enden wollte.

Es waren die Träume von der blauen Wegwarte, die sie trösteten und immer, wenn ihr von außen etwas schräge kam, stellte sie sich vor, wie eine blaue Wegwarte in ihrem Herzen erblühte. Automatisch fing sie an, ruhiger zu atmen und Frieden kehrte in ihr Herz zurück.

Auch musste sie lachen, wenn sie ihre alten Geschichten las, in denen es immer mal wieder um das Warten ging. Eine Geschichte in ihrem Buch hieß: ‚Die Menschen haben das Warten verlernt.‘

Es war die Zeit der Ernte und Aurora, die So-und-so-Vielste, holte sich die Walnüsse. Manchmal versuchte sie drei Nüsse auf einmal wegzutragen. Es gelang ihr nicht. Blaue Feder fand sich in ihr wieder. Oft war sie ungeduldig, aber auch sie musste eine Nuss nach der anderen in ihre Vorratskammer bringen.

Auf dem Schwalbenhof war eine Engelstrompete erblüht. Sie hatten den Baum von Freunden aus dem Nachbardorf geschenkt bekommen. Lange Zeit bekam sie grüne Blätter und dann bildete sich langsam eine Blüte, die sich richtig viel Zeit ließ. Wochenlang bildete sich die Blüte, bis sie nun gelb erstrahlte und die Engel leise anfingen zu trompeten.

Ging sie ihre Runden, sah sie die Spinnerinnen am Wegesrand, in den Gräben, auf den Wiesen und in den Wäldern ihr Zaubergarn spinnen. Sie hüllen das ganze Land in ihre Netze. Sie wusste nicht welchen Zauber sie wirken, aber sie war voller Vertrauen in ihre weisen Künste.

Grad hielt Blaue Feder ein wunderbares Buch in Händen. ‚Die Spinner:innen‚ haben es gewebt – ein Herzensprojekt, das online begann und ein wunderbares Buch wurde.

Das Online-Magazin der Spinner:Innen findest Du hier:

https://spinnerinnen.ch/

Auf ihrem Weg fand sie eine Socke.

Ein altes Thema klopfte an, dem sie sich jetzt ein wenig widmen wollte. Sie nahm sich wieder eine Auszeit und würde in das Land der Heckenrosenfrau reisen.

Einst webte sie ein Buch im Land der Heckenrosenfrau. Wer es sich anschauen möchte, findet es hier: https://blauefeder.home.blog/2020/10/04/im-land-der-heckenrosenfrau/

Sie und Brauner Bär hatten im Ur-Laub noch die Auswirkungen der Corona-Erkrankung gespürt. Etwas kurzatmig waren sie von Baum zu Baum geschlichen. Nun rief sie die Meerfrau auf die Insel im Westen und sie wollte ihre Nase in den frischen Wind halten.

Einst rief sie ihre Seele nach Stellau zu Sabine Treeß. Sie kann sich nocht gut erinnern. Sie sollten zu ihrem ersten Treffen etwas mitbringen, das ihre Berufung symbolisierte. Blaue Feder schleppte damals einen großen Bauernhof aus Holz mit sich. Zu jener Zeit fingen sie an, den Schwalbenhof auszubauen. Es ist schön zurückzuschauen, wie sie ihren Traum verwirklicht haben.

Sabine bietet den Kurs nun Online an, den sie einst in Präsenz erleben durfte. Sie konnte ihn wärmstens empfehlen.

Die Spinnerinnen weben ihre Netze und vernetzen sich.

Die Blaue Feder wünscht Dir einen schönen Herbst-Beginn.

9 Kommentare zu „Der Traum von der Weg-Warte

  1. Deinen schönen Beitrag – ja auch über die wundervolle Weg-Warte – habe ich mit FREUDE gelesen, liebe Susanne und weißt du was… sehen wir dieses schöne Kräutlein am Wegesrand, da denken wir immer an eine sehr liebe Freundin.

    Sie kam vor ein paar Jahren aus Australien mit ihrem Mann in unseren Heimatort.
    Sehr fleißig übt sie sich in der deutschen Sprache. Voller Stolz zeigte sie uns im vergangenen Jahr – dieses schöne Pflanzenwesen auch auf ihrem weiträumigen Grundstück.. Sie nannte das Pflänzchen… „Warte-Weg“ … seitdem sprechen wir die Wegwarte sehr gerne auch mit dem feinen Kosenamen „Warte-Weg“ an…

    Was uns die Natur doch immer so alles zu erzählen hat!

    Sei herzlichst gegrüßt,
    Elke

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  2. Die Wegwarte….
    … wer kennt sie nicht.
    Lichtblaue, manchmal hellrötliche oder auch ganz schneeweiße
    Blümchen, die an vielen Wegrändern zu finden sind.
    Auch um sie ragen sagenhafte Geschichten.
    Ein Mädchen, dass hochmütig gegenüber einem Bettler war, wartete am Wegesrand auf ihren Bräutigam. Der Bettler, ein Zauberer, verwandelte sie in diese Blume, die seither noch immer auf ihren Zukünftigen wartet, damit er sie erlöse.
    Und die Wegwarte verhalf dem Osterhasen zu Ruhm. Dieser fraß nach langem Winter gern diese Blüten, die auch an Zäunen, also nah den Menschen wuchsen. Ein Bauer ließ seine Hühner überall hin ihre Eier legen, so auch nah am Zaun, wo der Hase neben den Eiern saß und Wegwarte fraß. Ab da war klar, wer die Eier bringt.
    Wegwarte wird auch Zichorie genannt. Aus ihr stellte erstmalig der Hofgärtner Timme aus Arnstadt einen Kaffee her – Zichorienkaffee. Ältere Menschen können sich an dieses Getränk noch gut erinnern.
    Ich sammle ja auch diese Blüten, Blätter und Wurzeln und genieße diese als Tee.

    Dein Text ist vollkommen gut, ich liebe die Wegwarte, die wir Zichorie nennen.
    Liebe Grüße, Edith

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      1. Ich freue mich, dass du sie angenommen hast, so kann man so viel mehr sehen, dass diese Pflanze doch schon lange für Überlegungen sorgte, dass sie wichtig genug dafür war.
        LG,E

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      2. Nichts zu danken, liebe Susanne, so kann man zusammentragen, was es alles an Geschichten gibt und daraus schlussfolgern, dass diese Pflanze schon früher wichtig war.
        Herzlichst, Edith

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