In die Blaubeer-Fülle tauchen

Es war die Zeit der Ernte. Oft fuhren die Bauern bis in die Nacht hinein mit ihren beleuchteten Fahrzeugen durch das Dorf. Blaue Feder hatte ein paar Äpfel geerntet und Apfelmus eingekocht.

In Dellbrück im Wittenmoor gab es einen Blaubeer-Hof. Jedes Jahr nahmen sich die Schwalbenhofbewohner vor, hinzufahren und Blaubeeren zu pflücken. Doch oft verpassten sie die Blaubeer-Zeit.

Es war zu Maria Himmelfahrt, an einem dieser heißen Tage, als sie daran dachten, in die Blaubeeren zu fahren. Der Mann am Eingang bei der Waage fragte Brauner Bär, wie viele Eimer er denn wolle. ‚Da muss ich meinen Chef fragen‘, sagte Brauner Bär und der Mann hinter der Waage lachte.

Die Chefin kam schon um die Ecke und wollte zwei Eimer mit Blaubeeren füllen. Ihnen wurde das Feld mit der Nr. 3 zugewiesen. Sie mussten eine Weile durch den Wald laufen, bis sie zu ihrem Feld kamen. Hätten sie doch bloß ihre Sonnenhüte mitgenommen. Sie waren immer schnell Feuer und Flamme von einer Idee, dass sie einfach drauflosfuhren.

Blaue Feder liebte Blaubeeren. Oft aß sie die blauen Beeren schon am Morgen in ihrem Porridge. Sie war von der Fülle auf dem Feld Nr. 3 hellauf begeistert und dann auch überfordert. Erst ging sie von einem Busch zum nächsten und pflückte hier und dort. Dann kam ihr die Idee, sie könne auch bei einem Busch bleiben und ihn leer pflücken. Auf diese Weise würde sie mehr in die Tiefe tauchen.

Es war ähnlich wie mit ihren Geschichten. Sie begann jetzt die Geschichten vom Geschichten-Baum zu pflücken. Bei der Fülle an Geschichten fühlte sie sich schnell mal überfordert und wusste nicht so recht, wo anfangen. Auch hier war es ratsam bei einem Geschichten-Faden zu bleiben und mit ihm in die Tiefe zu tauchen.

Sie tauchte in den Duft der Blaubeeren. In der Nacht war ein Spiel mit goldenen Walnüssen von ihrer Pinnwand heruntergefallen. Es war ein kleines Vision-Board. Sie hatte damals ihre Visionen, ihre Ideen, ihre Träume darauf verewigt. Viele ihrer Geschichten hatte sie auf kleine Zettel geschrieben und in die Nüsse gelegt. Eine Nuss war abgefallen und sie schaute sich an, was auf dem Zettel stand und schmunzelte.

Sagen und Mythen bringen die Blaubeere mit der Großen Göttin, im christlichen Weltbild mit Maria in Verbindung, insbesondere in ihrem schwarzen Aspekt, der Göttin der Transformation. Die Volksnamen, wie Äuglbeer, Blickbeere bringen die Blaubeere in Beziehung zum Klar- oder Hellsehen. Es heißt, wer Blaubeeren pflückt und isst, kann plötzlich die Höhleneingänge der Zwerge in der Nähe der Sträucher erkennen und so ihre Schätze finden. In der Spagyrik wird der Blaubeere nachgesagt, sie stärke die Vision, den Weitblick und die Ausdauer. So war sie wohl eine Pflanze der Vision, die Licht ins Dunkel bringt.

Es war heiß, als Blaue Feder in den Blaubeeren stand und der Schweiß tropfte ihr von der Stirn. Sie fragte sich, was ihre Vision war, als für einen kurzen Moment die Wolken die Sonne verhüllten und ein sanfter Westwind sie umwehte. Der Wind der Seherin kündigte sich an.

Brauner Bär hatte seinen Eimer voll und wartete im Schatten auf einer Bank. Blaue Feder pflückte noch eine Weile weiter. Sie sah keine Zwerge, aber plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte eine alte Frau mit ihrem Enkel auf. Ihre Haare leuchteten schlohweiß in der Sonne.

Sie lachte Blaue Feder an und sagte: ‚Ich kenne Dich! Woher kenne ich Dich nur?‘

Blaue Feder lachte zurück, hatte die Frau noch nie gesehen und fragte, woher sie denn kam. ‚Aus St. Michaelis und vorher aus Marne.‘ Die Frau lief kopfschüttelnd weiter:

‚Es wird mir schon einfallen, woher ich Dich kenne.‘ rief die Alte ihr hinterher. Blaue Feder schmunzelte. Sie mochte die Alte, die ihrem Enkel genau zeigte, welche Beeren er pflücken solle und schaute ihr hinterher. Gerne hätte sie sich länger mit der Alten unterhalten. Doch so schnell wie sie aufgetaucht war, war sie schon wieder fort.

Zwei Eimer blauer Fülle hatten sie gepflückt – neun Pfund Beeren.

Sie fuhren heim und ein Großer Vogel, ein Seeadler, begleitete sie ein Stück des Weges. Als sie auf dem Schwalbenhof ankamen, hörten sie einen Trupp Kraniche über das Tal der BroklandSau fliegen. Ihr Ruf war unverkennbar und ihr Herz hüpfte vor Freude. Vielleicht würden sie an der Broklandsau rasten.

Blaue Feder kochte ein herzhaftes Blaubeer-Chutney und leckere Marmelade aus den Früchten. Ein Pfund wanderte in einen saftigen Blaubeer-Schmand-Kuchen. Der war ihr ausgesprochen gut gelungen. So luden sie die Freundin aus dem Nachbardorf zum Kaffee ein. Die Tage buck sie noch einen zweiten Kuchen für eine andere Freundin und es blieben immer noch Beeren zum Naschen übrig – welch eine Blaubeer-Fülle!

Am kommenden Morgen zog es sie früh hinaus an die BroklandSau. Sie ging in der Hoffnung vielleicht die Kraniche zu sehen. Die Kraniche waren weitergezogen, aber einen Heißluft-Ballon sah sie am Himmel. Kurz flog sie mit dem Ballon über das Tal der Broklandsau. Sie sah die Au von oben sich durch das Tal schlängeln und nun wusste sie, mit welchem Faden sie zuerst in die Tiefe tauchte.

Auf dem Heimweg pflückte sie einen kleinen Kräuterbuschen mit vielen bekannten Kräutern und einem unbekannten Kraut mit gelben Blüten. Es war eine Distelart, soviel war klar – doch welche wusste sie noch nicht.

Wann immer die Sonne zu heiß am Himmel brannte, setzte sie sich an die Zauberkiste in ihrem kühlen Zimmer und fing an zu spinnen und zu weben, wie es die Alten zu tun pflegen. Manchmal sah man tief in der Nacht noch ein Licht hinter ihrem Fenster. Oft dachte sie an die alte Blaubeer-Frau und schmunzelte. Sie tauchte in die Blaubeeren und als sie wieder auftauchte, war sie zufrieden.

Im Tal der BroklandSau‚ war die Geschichte, deren Faden sie weiterwebte. Mit ihm tauchte sie in die Tiefe, spielte mit ihren Bildern, kostete ihre Geschichten, ob sie auch süß schmeckten und reif waren, wie die Blaubeeren. Wer mag, kann nun in den Geschichten aus dem Tal der BroklandSau schmökern. Du musst nur auf den Link klicken und der Lese-Spaß kann beginnen – welch eine Blaubeer-Fülle!

Im Tal der BroklandSau

https://www.yumpu.com/de/document/read/67199516/im-tal-der-broklandsau

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17 Kommentare zu „In die Blaubeer-Fülle tauchen

  1. Die Fülle ist wieder da…Deine Wahrnehmungs- und Wärmefülle, liebe Susanne! Wie ich mich darüber freue! Einen herzlichen Gruss und Dank aus Fischerhude, auch hier die erste Kranichmusik…

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    1. Liebe Sigrid, tauche nur kurz aus den Blaubeeren auf. Nun machen wir noch ein bisschen – richtig Ur-Laub. Bisher haben wir ’nur‘ geackert. Mit Glück werden wir auch der Kranichmusik lauschen. Danke Du Liebe und bis bald, Susanne

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    1. Danke liebe, Eva. Yumpu ist eine schöne Plattform, wenn man mal ausprobieren will, wie ein Buch aussehen könnte. In der freien Version kann man drei Bücher hochladen. Herzliche Grüße, Susanne

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  2. Rundherum DANKE liebe Susanne und einen ganz wundervollen Ur-Laub für euch zwei Beiden! Und für dein schönes Buch… dafür werde ich mir gaaanz viel RUHE und Zeit gönnen! :-)) Bis bald!
    Alles LIEBE,
    Elke

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    1. Danke liebe Elke, freue mich sehr auf den alten Buchenwald. Zuweilen träumt die Blaue Feder von einem echten Buch zum in die Hand nehmen und über die Papierseiten streichen. Derweil, spinnt sie weiter den Faden des Alt-Weiber-Sommers. Liebste Grüße, Susanne

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      1. Einmal vor eurem Ur-Laub, liebe Susanne, möchte ich mich nun doch hier noch mal melden und ich DANKE dir für deine liebsten Grüße… Liebevollstes Verständnis fühle ich in mir, was den Traum der Blauen Feder und einem echten Buch in die Hand nehmen betrifft… Wie gut doch, dass ihr in den alten Buch-en-wald fahrt… er wird sie mit Sicherheit erfreuen und traumhaft bereichern…
        Flieg los, Blaue Feder und träume deinen wundervollen Traum bis zum Ende…

        Liebste Grüße,
        Elke

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  3. Ein tolles Buch hast du da zusammengestellt!

    Bei Blaubeeren muss ich immer an das schwedische Kinderbuch „Puttes äventyr i blåbärsskogen“ (Hänschen im Blaubeerwald) von Elsa Beskow denken, das als Kind meine Fantasie unglaublich beflügelt hat. Wie gerne hätte ich auch im Blaubeerreich gewohnt und Beeren poliert. Werde das Buch sofort in der Bücherkiste suchen und heute Abend meinen Kindern vorlesen …

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  4. Ich war auch Blaubeeren pflücken, auch ohne Sonnenhut in einer Sauhitze. in der Tiefgefriere warten jetzt kleine blaue Sommerbeeren darauf, uns kalte Wintertage zu versüssen. Es war schön von dir zu lesen. Für das Buch nehme ich mir gern mal Zeit 🫐💙

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    1. Moin Du Liebe, sitze grad im ‚Baumhaus‘. Die Nacht war empfindlich kalt. Wärme mich an einer Tasse Kaffee. Gleich kommen die Kraniche zum Frühstück. Waren gestern in den Schlehen – auch so blaue Beeren. Die sind auch im Tiefkühler. Heute begeben wir uns auf die Spuren von Fallada. So richtig wach bin ich aber noch nicht. Liebe Grüße, Susanne

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  5. Ich glaube, seine erste Geschichte war angelehnt an ‚Hans im Glück‘ und ‚Die Gänsemagd‘, in der das Pferd Fallada auftaucht. Ich vermute so ist sein Künstlername Hans Fallada entstanden. Vielleicht finde ich das ja heute raus. Hab auch einen schönen Tag.

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  6. Ich habe erst mal „nur“ durchgeblättert und ein bißchen angelesen. Ein tolles Buch ist das geworden, mit all den schönen Bildern und Geschichten von dir. Ein richtiges Kunstwerk! Liebe Grüße und einen schönen Urlaub wünsche ich dir bzw. euch!

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