‚Glücksversuche‘

Das neue Buch von Ariadne von Schirach hieß ‚Glücksversuche – Von der Kunst, mit seiner Seele zu sprechen‘.

Das, was uns wirklich glücklich macht, sind Beziehungen, Naturerfahrungen und inneres Wachstum. Wenn wir darauf achten und uns mit dem Leben verbunden fühlen, sind wir weniger verführbar, es zu konsumieren.

Ariadne von Schirach

Die Philosophin stellt sich in 80 kleinen Essays der Frage, ob wir in Zeiten wie diesen, nach Glück streben dürfen. Blaue Feder gefielen ihre Aufsätze und regten sie an, selbst über ihr Glück zu reflektieren.

Nun war die Sonne schon eine Weile in den Stier weitergewandert und die neue Mondin stand finster am Himmel. Eine Mondfinsternis hatte wohl wieder ein paar Überraschungen im Gepäck. Blaue Feder besah sich noch einmal den zweiten Raum ihres Geschichtenhauses.

Der erste Raum hatte vom Schöpfungsmythos erzählt. Der zweite Raum war mit Glückspilzen und einem goldenen Schwein versehen. Ein Tisch angerichtet mit Messer und Gabel stand darin und fragte, welche Geschichten machen wirklich satt? An der Wand hing ein Herz, darauf stand ‚Im Tal der BroklandSau‚ und daneben hing ein Anker. Blaue Feder erinnerte sich an den Ausspruch von Brauner Bär ‚Was haben wir für ein Glück!

Das Glück war wohl ein flüchtiger Moment, ein kurzes Wahrnehmen von Seligkeit und Zufriedenheit. Manchmal saß sie abends im Bett und erzählte sich, was schön gewesen war an diesem Tag. Es gab immer ein paar schöne Momente, für die sie dankbar war, wie auch für das Geschenk des Lebens ansich. Sie hatten Glück gehabt mit dem Flohmarkt. Sie hatten Glück an einem schönen Ort zu leben. Sie hatten Glück sich gefunden zu haben. Sie empfand auch Glück, wenn die Heizung mal wieder eine Woche streikte und es am Morgen danach eine warme Dusche gab. Sie waren Glückspilze, auch wenn es Momente gab, die sich schwer anfühlten.

Mag sein, und es lag an Nis Puk, dem kleinen Nichts, wie er gewöhnlich genannt wird, dem Wicht, der in den nördlichen Ländern Haus und Hof bewacht und das Glück in ihr Leben brachte, so lange sie ihm, den Tieren und Pflanzen wohlgesonnen waren. Waren sie es nicht, wurden sie geneckt, dann konnte er sich zum wahren Plagegeist entwickeln, und keiner war mehr vor seinen Streichen sicher.

Blaue Feder war wichtig, dass es den Tieren, den Katzen und Vögeln gut ging. Ihre Pukken-Grütze kam gut an. Schon der zweite Topf war wie leergeleckt. So kochte sie wieder eine Neue, damit das Glück ihnen weiter hold war. Im Traum hatte die alte Weise an ihre Tür geklopft. Nun lauschte sie der Weisheit ihres Körpers, welche Grütze ihr wohl schmecken würde.

Es zog Blaue Feder hinaus ins Tal der BroklandSau. Ging es ihr mal nicht so gut, musste sie nur hinausgehen und in die Weite tauchen. Das Land war ihr Anker. Es gab ihr ein geborgenes Gefühl. Eine Goldammer lachte ihr am Morgen aus dem Garten entgegen. Sie war länger nicht zu Besuch gewesen. Auch das Schwalbenkraut leuchtete rund um den Schwalbenhof in goldgelben Tönen. Es waren nun schon einige Schwalben am Himmel zu hören. Ihr Geplapper klang vertraut.

Im ersten Jahr, als sie ihren Garten machte, riss sie das Schöllkraut überall heraus. Sie wusste es nicht besser. Es hatte es ihr nicht übel genommen und war jedes Jahr wiedergekommen, bis sie beste Freunde wurden.

Eine Singdrossel fragte nach, ob sie denn schon einen neuen Hut gefunden hätte? Blaue Feder grinste in sich rein.

Im Dorf lachten sie ein paar Zaun-Tulpen an.

Sie bewunderte mal wieder die Buchsbaum-Eule, nicht wissend, dass sie die Bewohner des Hauses am Abend beim Maifeuer kennenlernen würde. Sie hatte nicht gewusst, dass hier noch eine Schwestser von ihrem befreundeten Nachbarn mit ihrem Mann wohnte. Er war der Buchsbaum-Künstler. Ihr Garten hatte sie schon immer fasziniert. Am Abend standen sie zusammen am Mai-Feuer, unterhielten sich und lernten sich kennen.

Die mexikanische Flagge hatte auch schon mal bessere Zeiten gesehen. Auf dem Wappen sah sie einen Adler auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verspeisen. Einst lebten die Azteken als Nomaden und laut einer Legende würden sie sich dort niederlassen, wo ein Adler auf einer Opuntie sitzend eine Schlange verschlingt. Diese Opuntie sollte auf einem Felsen inmitten eines Sees wachsen. Nach zweihundertjähriger Wanderung fanden sie das versprochene Zeichen auf einer kleinen Insel im Texoco-See und gründeten dort ihre Hauptstadt, die später Mexiko-Stadt genannt wurde. Diese Geschichte erzählte sich ein Schwalbenpärchen, als sie in der Morgensonne plauschten und Blaue Feder lauschte. Was sie wohl heute in Mexiko erleben würde?

Blaue Feder tauchte in die Weite des Tales und sah am Ende des Weges mutig ein Reh den Weg wechseln und es erinnerte sie an ihren eigenen Sanft-Mut. Sie war an diesem Morgen verstimmt, hatte sie etwas erlebt, was ihr nicht gut getan hatte. Daran knappste sie noch.

Ein Schwarzkehlchen begleitete sie ein Stück des Weges. Nun kannte sie das Rotkehlchen, das Blaukehlchen und das Schwarzkehlchen. Es erinnerte sie an schöne Sonnenaufgänge im Land der Schwäne.

Der Birkenwald leuchtete im schönen Maiengrün und das Birkenmädchen lud sie ein, ein wenig in die Wildnis zu tauchen.

Wieder feierte das Moosvolk ein Fest, diesmal verwunschen an einem silbernen See. Ihr wurde ein Thron aus Moos angeboten, doch versank sie tief im Moos und es war ihr etwas unangenehm. So setzte sie sich auf eine Birke, die etwas krumm gewachsen war, verschmolz mit ihr und lauschte dem Treiben.

Mehr und mehr ließ sie los und tauchte in ihr Herz. Nun kamen Rehe in den Wald und näherten sich ihr. Das war schon erstaunlich. Blaue Feder war berührt von ihrem Vertrauen und ein paar Tränen kullerten ihr die Wangen runter. Sie hoffte nur, ihr Schniefen würde die Rehe nicht verscheuchen. Sie machte in diesem Moment keine Fotos, aber einen Tag später begegneten ihr wieder ein paar Rehen und besonders der Rehbock näherte sich ihr wieder bis auf wenige Meter. Da stand er, der Gehörnte, und schaute ihr tief in die Augen.

Sichtlich erleichtert und beschwingt von dem Erlebten, verließ Blaue Feder langsam den Birkenwald. Sie grüßte die alte Haselin und am Erlensee saß die Graue und verspeiste ihr Frühstück. Langsam bekam auch Blaue Feder Hunger und schlug den Heimweg ein.

In der Ferne sah sie das Schwanenpaar, die sich zum Brüten wohl einen neuen Platz gesucht hatten. Der Große Mondsee lag still da, ein kleines Paddelboot an seinem Ufer.

Auf dem Heimweg erfreuten sie die ersten Gänse-Küken. Zurück im Dorf umfing sie der Duft eines Mandelbaumes.

Unter der Dorfeiche entdeckte sie die ersten Köpfchen der Wilden Tulpen, die sie sehr mochte.

Brauner Bär wartete schon mit dem Frühstück. Die kleine Runde hatte wohl etwas länger gedauert. Sie sah sich im Spiegel der Küchenscheibe. Vielleicht stand ihr die John Deere Mütze mit dem Hirsch darauf gut zu Gesicht?

3 Kommentare zu „‚Glücksversuche‘

    1. Liebe Sigrid,
      wie mich das freut. Grad gab es noch leckeren Spargel, auch so ein Glücklich-Macher.
      Nun schau ich mal, was die Tagträumerin erzählt.
      Unter der Woche komm ich da nicht zu.
      Herzensgrüße nach Fischerhude, Susanne

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