In der Nacht hallte der Ruf einer wilden Sau über das Land.
Es war der Ruf der RegenbogenSau, die nun wissen wollte, ob sie denn die Geschichte erzählen wolle oder nicht. Ein wenig Ungeduld klang schon in ihrer Stimme mit. Sie hatte eine Fährte gerochen, als Blaue Feder den bunten Wollfaden im Lebensbaum gefunden hatte. Bisher war sie wenig zu Wort gekommen. Gespannt wartete sie ab, ob Blaue Feder den Faden weiterspinnen würde, denn dann, wäre es wohl eine Geschichte für sie. Wohl spürte sie die Unentschlossenheit der Blauen Feder und so kam es zu dem Ruf.


Blaue Feder öffnete am Morgen die Vorhänge und wieder lachte sie die Venus an. Mal wieder war ein Sturm über das Land gefegt und Blaue Feder erging es wie Aurora, deren Ohren der Wind mal in die eine und mal in die andere Richtung wehte.


Auf der Fensterbank in ihrem Tontopf wuchsen tatsächlich Pilze. Sie kannte ihren Zauber nicht und nahm eine Nase. ‚Mirnichtsdirnichts‚ landete sie in einem alten Land. Sie stand an einem großen Fluss vor einem Tempel und ihr wurde eine Tierkreis-Scheibe gezeigt. Nun wusste sie, wo sie war. Sie war in Denderah am Nil gelandet, im alten Ägypten. Sie schaute sich die Scheibe an und sah, wo sie sonst der Krebs anlachte, der Skarabäus nun zuhause war. Er trug die Sonnenscheibe zur Sommersonnenwende in seinen Käfer-Armen. Sie stand vor dem alten Tempel und spürte die Schöpferkraft der alten Göttin der Tiefe. So lauschte sie dem Skarabäus – lauschte dem Gesang des Nils – und ‚Mirnichtsdirnichts‚ war sie auch schon wieder zurück in ihrem Zimmer und die Sonne lachte sie draußen an. – Wer weiß, was bis zur Sommersonnenwende noch alles in ihrem tontopf wuchs.

Dreizehn Tage waren vergangen – dreizehn Tage hatte sie in ihr Herz gelauscht und sich gefragt, wie sie weitergehen wollte.
Sie entschied sich erst einmal hinauszugehen. Diesen Morgen lachte sie als Erster ein Igel mit einem Fliegenpilz an.

‚Versöök dat maal! Ick snack Platt un Du ook bald!‚
So sprach der Igel zur Blauen Feder und sie musste schmunzeln. Sie hatte sich für einen Plattdeutsch-Kurs an der Volkshochschule angemeldet und würde die Sprache der Alten ihres Landes lernen. Das wollte sie schon lange einmal.
Die Tage traf sie sich mit Liebevolles Herz und diese hatte ihr schöne Bilder von einer Zaubernuß gezeigt. So zog es Blaue Feder heute zur Hexenhasel. Diese stand im Karkweg. Es gab keine Kirche in ihrem Dorf, aber einen Karkweg, der mit alten Eichen gesäumt war. Sie spürte, heute lag eine Entscheidung in der Luft. Vielleicht konnte ihr die Hexenhasel mit ihrer Zauberkraft weiterhelfen.

Ein schwarzes Huhn stand vor einem Haus und sie musste an die Hütte der Baba Yaga denken. Ein Herz hing in einem alten Weißdorn und so folgte sie dem Weg ihres Herzens.


Die Eichen standen wie die Säulen eines alten Tempels zu beiden Seiten des Weges und die Blaumeisen luden sie zum Spiel ein.


Ein Blaues Haus lachte sie an und Blaue Feder lachte zurück.

Nachdem sie einen Film von Astrid Lindgren gesehen hatte, hatte sie begonnen ihre Geschichte vom Blauen Haus neu zu schreiben. Sie merkte, die Geschichte entwickelte sich, während sie die Bilder webte. Vielleicht war es eine bunte Geschichte, bunt zusammengewürfelt wie die bunten Seidenstoffe, die ihr die Freundin schenkte – bunt wie ein Regenbogen.

Nun denn, so sei es, sagte Blaue Feder zu sich selbst, sie würde die Geschichte erzählen.
Sie kam zu einem alten Sonnenblumenfeld. Es öffnete sich ihr ein Weg und sie ging hinein. Das Brachland hatte eine sehr beruhigende Wirkung auf sie. Die alten Sonnenblumen nickten ihr wohlwissend zu. Sie hatten ihre Kerne schon größtenteils verstreut. ‚Eile mit Weile‘, schienen sie ihr zu sagen.



Schon lud sie eine neue Bank zu einer Pause ein. Von hier hatte sie einen weiten Blick über das Tal der BroklandSau.


Blaue Feder entschied sich, erst einmal in Ruhe ihre Bilder zu weben. An bunten Fäden in allen Regenbogenfarben mangelte es ihr nicht und Taiga reichte ihr gerne mal einen Faden aus ihrem Körbchen. Sie war auch begeistert von den Seidenstoffen.



Dann hörte sie den Eichelhäher sein Lied singen. Nunja, er krächzte mehr, als das er sang, aber das störte ihn und auch die Blaue Feder nicht.


Sie folgte seinem Beispiel und als sie das nächste Mal über das Land schaute, hallte der Ruf einer wilden Sau über das Land, denn Blaue Feder gab der RegenbogenSau eine Antwort.

Ein Hufeisen hing am Gatter und beglückwünschte sie zu ihrer Entscheidung.

Daheim fing sie an, den Faden zu weben und das kleine ‚Blaue Haus unter der Linde‚ wurde langsam sichtbar. Stunde um Stunde stickte sie, dass ihr am Abend alle Knochen weh taten. Das mit dem Gleichgewicht musste sie wohl weiter üben. Vielleicht half es ihr, den Wecker zu stellen und nach einer Weile tanzen zu gehen. Vielleicht konnte ihr die Bärin helfen, die Zeit zu hüten.

Das Fest der Brigid stand bevor, das Fest der weißen Birkengöttin. Sie war es, die mit ihrem Feuer das Eis zum Tauen und die Dinge wieder ins fließen brachte. Wo die Göttin wandelte, da begann der Saft in den Bäumen zu hochzusteigen, fingen die Samen unter der Erde an zu keimen und die ersten Schneeglöckchen zu tanzen. Zusammen mit der weißen Jungfrau würde auch der Bär aus seiner Höhle wieder hervorkommen. Der Bär war kein anderer, als der verhüllte Sonnengott. Das Mädchen war keine andere, als die Göttin Brigid selbst, und die alte Mutter, die dem Bären, in dem kleinen Häuschen tief im winterlich Wald Zuflucht gewährte, war keine andere, als Frau Holle selbst, die alte Erdmutter.

Ab und an hatte Blaue Feder die Sonne auf ihrem Weg geblendet. Brauner Bär pflegte in solchen Momenten zu sagen: ‚Kacke hell!‘ Das erinnerte sie, wenn zum Fest der Brigid, der Bär aus seiner Höhle kam und ihn die Sonne blendete, er brummend umkehrte, um noch äbis zur Frühlingstagundnachtgleiche wieder im Schoß der Erde weiterzuschlafen. So war die Bauernregel, wenn das Wetter zu Imbolc strahlend schön war, konnte es noch einmal richtig kalt werden.
Wieder traf Blaue Feder das Eichhörnchen und seine Ohren wehten im Wind.


Wie auch immer sich der Bär entschied, Blaue Feder würde die kalten Tage ihre Geschichte weiter weben und ‚Das Blaue Haus unter der Linde‚ machte ihr schon Freude auf den kommenden Frühling.
