Pfad-Finder

Irgendwie hatte sie alles etwas anders gemacht. Sie war den Halkyonischen Tagen gefolgt, hatte in den Rauhnächten Geschichten erzählt und ging nun 13 Tage auf Visionssuche – warum nicht!

Die Nebel lichteten sich für eine Weile und die Sonne kam heraus. Der kleine Fliegenpilz flog mit ihnen direkt ins Tal der Gieselau. Prima, dachte sich Blaue Feder, dann konnte sie die Wurzel-Buche noch einmal zu ihrer Geschichte befragen; war die Wurzelbuche eine große Geschichten-Erzählerin und mit ihren mehr als 200 Jahren, hatte sie viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Es kam auch Bewegung ins Spiel, denn das Gieselau-Tal lag in der Ditmarscher Schweiz. Hier geht es für Flachlandpuschen ordentlich bergauf uns bergab. Das brachte die Wintercouchpotatoes ein wenig in Schwung. Mit der Sonne fühlte es sich fast ein bisschen wie Frühling an – es machte den Eindruck, als würden sie zu etwas Neuem aufbrechen.

Im Wald machten gleich ein paar Kleiber lautstark auf sich aufmerksam. Blaue Feder konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal so laut haben singen hören. Sie rieten Blaue Feder, sich das Thema aus verschiedenen Perspektiven anzuschauen, auch mal über Kopf. Blaue Feder bedankte sich für den Hinweis. Sie kamen bald zur Wurzel-Buche, doch saßen zwei junge Frauen in ihrer Wurzel und so musste sich Blaue Feder mit ihren Fragen gedulden. Es war ein schönes Bild, wie die jungen Frauen in ihren Wurzeln ein Picknick in der Sonne machten. Sie war wohl nicht die einzige, die ihre Nähe suchte.

Blaue Feder und Brauner Bär gingen also erst einmal ins Tal zur Gieselau. Auf dem Weg dorthin umfing sie ein ganzer Schwarm von Schwanzmeisen und kitzelte sie ordentlich durch. Das war ein Gefiebse – das war Lebendigkeit pur. Standest Du schon mal in einem Schwarm Schwanzmeisen? Blaue Feder war mal wieder verzaubert. Sie versuchte ein paar Bilder zu machen. Das war nicht so einfach, weil sie so flink waren.

Freude stieg in ihre Herzen und sie freuten sich, dass sie sich auf den Weg gemacht hatten. Der Weg zeigt sich wohl, wenn wir ihn gehen. Brauner Bär hatte einen Stein gefunden. Erst dachte Blaue Feder es sei ein Küstenstein, aber er trug eine andere Botschaft.

Eine Biene lachte sie an und für einen kurzen Moment stand Blaue Feder unter einem blühenden Lindenbaum und war umringt von summenden Bienen. Die Bienen schienen sie summend aufzufordern, sich nach der Freude auszurichten. Feiere das Leben, raunten sie ihr zu. Laß Dich von den Wundern des Moments ergreifen und spüre wie durch die Freude die Süße des Lebens entsteht.

Die Süße schmeckte sie gerade. Auf der Rückseite des Steins fand sie noch Hinweise auf den Propheten Micha, der von einem ‚Unbekannten Land‚ erzählte, in dem es wohl keine Angst mehr gab. Vielleicht hatten die jungen Frau den Stein hierhergelegt? Das war wohl wieder ein Halkyonisches Ei. Sie ließen es für andere Pfad-Sucher liegen.

Dann begrüßten sie die Gieselau.

Der alte Fichtenwald empfing sie. Es sah schön aus, wie das Licht durch die Bäume fiel. Überall standen kleine Fichten-Kinder und andere Wesen schauten ihnen neugierig nach.

Sie gingen über die Brücke beim Erlenbruch und da stiegen die wunderbaren Erinnerung an die Erlenbrüche auf dem Darß in Blaue Feder hoch. Allein, davon zu erzählen, würde sie erfreuen.

Blaue Feder entdeckte einen Stein, auf dem ein neues Zeichen gemalt war. Die Pfad-Finder hatten sich hier eine neue Hütte gebaut und einen Platz für ein großes Feuer.

Brauner Bär erinnerte sich an einen schönen Film, den er einst gesehen hatte, der hieß ‚Pathfinder‚ oder so ähnlich. Blaue Feder erinnerte sich an eine Zeit, wie sie als junge Frau ihr Atelier in der Großen Stadt hatte. Sie bekam einen Anruf von den Pfadfindern, mit der Frage, ob sie ‚Affen‚ nähen konnte. Sie fand die Frage lustig, dachte an Stoff-Tiere und lud die Pfad-Finder zu sich ein. Es kam ein ganzer Trupp von jungen Frauen. ‚Affen‚ nannten sich die Rucksäcke der Pfad-Finder. Dann bekam jede eine Aufgabe – ein paar schnitten die Stoff-Teile zu, andere steckten die Teile zusammen und Blaue Feder nähte die Rücksäcke zusammen. Sie verbrachten ein schöne Zeit zusammen und mit einer Frau freundete sich Blaue Feder an. Sie hieß ‚Rübe‚, weil ihre Haare rot wie ein Rübe waren. Sie spielte Geige in einer Irischen Folkband und es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den Frauen, deren Liebe zu Irland sie verband.

So wurden am Feuer aus den Pfad-Suchern Pfad-Finder und sie lauschten noch eine Weile ihren Erinnerungen.

Bisher waren sie durchs Tal gewandert. Nun ging es bergauf und von oben sahen sie die Gieselau im Sonnenlicht glitzern. Brauner Bär setzte sich oben auf dem Berg auf eine Bank und Blaue Feder hüpfte weiter und sagte, sie wolle noch die Wurzel-Buche besuchen.

Als sie ankam, war Brauner Bär schon da – er hatte einen kürzeren Weg gefunden. Sie kam sich ein bisschen vor, wie bei der Hase und der Igel.

Nun setze sich Blaue Feder zur Wurzel-Buche und fragte sie nach ihrer Geschichte.

‚Natürlich ist es Deine Entscheidung, ob Du die Geschichte erzählen möchtest. Mir würde es natürlich gefallen, eine Geschichte zu hören, die erzählte, wie heilsam ein Aufenthalt in einem Wald sein kann. Oder hat Dir der Aufenthalt im wilden Darßer Wald nicht gut getan? Erzähl es doch aus dieser Perspektive – was war heilsam für Dich? Bestimmt findest Du beim Erzählen noch andere Aspekte, die Dir gut getan haben. Das kann Dir helfen und vielleicht auch andere inspirieren. Habt Ihr auf der Reise nicht die gleiche Freude empfunden, wie heute hier im Wald? – Im Grunde ist es wohl eine Frage des Gleichgewichts. Schau, viele meiner Wurzeln stehen in der Luft und trotzdem halte ich mein Gleichgewicht, stehe sicher und verwurzelt.‘

Blaue Feder ging in sich – es würde in diesem Jahr keine Ausstellung geben und für die Holunderelfe würde sie auch nicht schreiben. Da war wohl ein wenig Platz für eine kleine Geschichte. Sie konnte sich ja Zeit lassen, eins nach dem anderen machen und sich zwischendurch immer wieder schöne Spielplätze suchen – die Bunte Frau lächelte sie an.

Blaue Feder wusste um ihr Thema, dass sie gerne zuviel machte, aber wie sollte sie einen Umgang damit finden, wenn sie es nicht ausprobierte? Schreiben machte ihr Freude. Es ganz sein zu lassen, war auch keine Lösung.

Blaue Feder bedankte sich für die Sichtweise der Alten Buche und verabschiedete sich. Beschwingt gingen die Pfad-Finder nun ihres Weges und pilgerten wieder heim. Sie kamen an einem Wolfs-Gehege vorbei. Es war Blaue Feder befremdlich Wölfe in Gefangenschaft zu sehen. Sie konnte aber auch die Angst vor ihrer wilden Kraft verstehen. Als sie zurückkamen, zogen sich die Nebel schon wieder zu. Sie waren glücklich, dass sie diesen Moment abgepasst hatten und seine Süße gekostet.

Manchmal tat es gut, einen Blick hinter die Nebel zu werfen. Brauner Bär erzählte Blaue Feder später am Abend, er habe in der Zeitung gelesen, die Rotbuche sei zum Baum des Jahres 2022 gewählt worden. Das freute Blaue Feder sehr, wie auch die Aussicht, dass sie in diesem Jahr noch einen anderen uralten Buchenwald besuchen wollten. Mancherorts wird die Buche ‚Mutter des Waldes‘ genannt. Das konnte Blaue Feder gut verstehen.

Mag sein und auch bei Dir hat die volle Luna ein Thema ans Land geschwemmt, das es sich zu betrachten lohnt. Vielleicht kann auch Dir ein Baum mit Rat zur Seite stehen.

5 Kommentare zu „Pfad-Finder

  1. Oh, der Darßer Wald ist wahrlich soooo schön und in der Tat sehr heilsam!
    Mit Sicherheit werden auch wir dort wieder unsere Runden laufen…
    Danke für die schöne Erinnerung…
    Liebe Grüße,
    Elke

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      1. Das glaube ich dir aufs Worte, liebe Susanne! Dieser Wald ist – fühlbar – auch etwas ganz Besonderes…

        Der Darßwald wird gerne auch Darßer Urwald genannt… Und diese Halbinsel war für lange Zeit – jeweils für eine Woche – eine kleine Auszeit für meine Freundin und mich… Jetzt kann sie es leider nicht mehr… Doch die Erinnerung im Herzen ist stets „abrufbar“ …
        Von uns aus sind es etwa 3 Autostunden… Sicherlich werden mein Mann und ich dort auch wieder hinfahren…

        Herzlich grüßt dich,
        Elke

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