Im Traum stellte Blaue Feder fest, sie hatte seit zwei Wochen nichts mehr geschrieben. Als sie erwachte, fragte sie sich, ob sie denn etwas zu erzählen hätte?
Sie hatte die Tage ein wenig aufgräumt, ihre Bilder sortiert und für sich und Brauner Bär ein Jahrbuch für 2020 gestaltet. Eigentlich hatte sie das jedes Jahr gemacht, aber als sie mit dem Schreiben anfing, fand sie keine Zeit mehr dafür. Es bereitete ihr Freude, das gemeinsame Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Jetzt saßen sie wieder gerne am Feuer und holten die alten Bücher raus und staunten, was sie alles schon zusammen erlebt hatten und wie sich der Schwalbenhof über die Jahre verändert hatte. Nun war das Buch der Erinnerungen fertig und sie schickte es zum Drucken. Die Vorfreude auf das schöne Buch nahm Platz in ihrem Herzen.
Sie hatte sich auch ein paar neue Wanderschuhe gegönnt – wasserfeste, damit sie keine nassen Füßen mehr bekam. Jetzt, wo die Nebelkrähen wieder über das Land zogen, waren die Wege schon recht feucht und matschig. Da konnte sie gutes Schuhwerk gebrauchen. Was sie wohl erleben würde in ihren neuen Stiefeln?

Schon am Abend hüllte die Nebelfrau den Schwalbenhof in ihre feuchten Schwaden. Am Morgen weckte sie Blaue Feder zeitig und sie schlüpfte gleich nach dem Aufwachen in warme Kleider und zog sich ihre neuen Wanderstiefel an.
Ihre Katze fragte: ‚Kommst Du auch mit der Zunge an die Nase?‘ Nein, sie schaffte es nicht und beide lachten. So begann der Morgen schon mit einem Lachen. Katzen erinnern uns manchmal an die wesentlichen Dinge des Lebens und ihre Weisheit war nicht zu unterschätzen.

Blaue Feder dachte, sie würde bei dem schönen Nebel ins Moor gehen, aber schon beim Lindenhof saß ein Zaunkönig auf einem Zaun, wie soll es auch anders sein und stoppte ihren Eifer. Sie blieb stehen und lauschte. Sie hörte die Fasane rufen. Also änderte sie ihre Pläne und ging den kleinen Rundelsweg. Sie spürte einen kleinen Widerwillen und dachte bei sich: ‚Eihhh, wie langweilig, den bin doch schon die Tage gegangen.‘ – Als wäre jeder Tag auf dem kleinen Rundweg gleich. Manchmal denken wir, wir kennen die Wege, doch gerade auf vertrautem Terrain, kann sich manch eine neue Tür öffnen. Die Wollsammler grasten wie dicke Wollknäule im Nebel und schon sah Blaue Feder einen Fasan am Knick hocken.


Der Zaunkönig erinnerte sie an einen Traum. Im Traum war sie in einer Kunsthochschule, saß vor einer leeren weißen Leinwand und spürte wie ihre Mitstudenten Großartiges von ihr erwarteten. Einer fragte sie, wie sie zur Kunst gekommen sei und sie erzählte, schon ihr Vater habe gemalt, vorwiegend Landschaften und auch ihr Opa. Sie versuchte sich von dieser Erwartungshaltung frei zu machen und spürte in sich hinein. Dann schrieb sie im Traum in ihr Tagebuch ‚Körper im Raum‘. Das war es wohl, was sie gerade interessierte. An jenem Morgen wurde sie von dem Gesang eines Zaunkönigs geweckt und dachte spontan:‚Mach klein!
So war das also mit Groß und Klein. Mit dem Traum wurde ihr bewusst, dass der Anspruch ‚Groß-Art-iges‘ leisten zu wollen, wohl ein väterliches Erbe war. In dem es ihr bewusst wurde, konnte sie diesen groß-art-igen Anspruch ein wenig loslassen und dem nachzuspüren, was für sie stimmig war.
Sie war die Tage schon einmal den Rundelsweg gegangen und war einem eher ungewöhnlichen Fasan begegnet oder viel mehr einer Fasanen-Henne. Erst dachte sie, es wäre ein Rebhuhn und weil sie den dunklen Hühnervogel nicht kannte, morste sie Jürgen vom Blog Linsenfutter an, und fragte ihn, welcher Vogel ihr wohl begegnet war.
‚Tenebrosus Fasan‘ kam die Antwort mit Kennerblick zurück und Jürgen vermutete, dass diese Henne wohl irgendwo ausgebüxt war, denn der schwarze Waldfasan oder Dunkelfasan kam in freier Wildbahn eigentlich nicht vor. Es war auch ungewöhnlich, dass die Henne Blaue Feder bis auf ein paar Schritte herankommen ließ, nehmen Fasane eigentlich schon bei den leisesten Geräuschen reißaus.





Da saß sie nun die dunkle Schönheit und Blaue Feder lauschte in sich, was sie ihr zu sagen hatte.
‚Ah, schau, nun sitzt Du hier
Schwarz wie Kohle
Ein Nichts
Und doch viel mehr
Entspanne Dich und lausche in die Stille
Es ist alles da
Räume ein wenig auf
Dann findet sich der Faden wie von allein
Das Spiel kennst Du doch schon
Vertraue Deiner inneren Kraft
Dem Klang Deines Herzens
Schenke Deinem Körper mehr Aufmerksamkeit
Spüre, was Du spürst
Was sagt Dir der Schmerz
Wann löst er sich auf
Dein Körper ist ein hochsensibles Gefährt
Das war schon immer so
Nehme Dir die Zeit, die Du brauchst
Achte auf Deine Bedürfnisse
Das ist es, was das Mensch-Sein ausmacht
Spüre wie zart Du wirklich bist
Gehe nicht mehr darüber hinweg
Die Liebe in Deinem Herzen
hüllt alles um Dich in ein sanftes Schweigen
Ein Schweigen, das Halt gibt
und Dich zur Ruhe kommen läßt
Die Begegnung mit dieser Henne berührte sie sehr. Blaue Feder machte sich schlau, ob sie irgendwo in der Gegend ausgebüxt war, aber sie fand nichts raus. In der Enten-Voliere im Dorf, gab es einen Jagdfasan, aber keine Tenebrosus Fasane.

Sie fuhr noch mit dem Fahrrad zu einem anderen Gehege, in dem sie aber nur Hühner entdeckte. Beim Recherchieren über Fasane wurde ihr erstmals bewusst, dass es Fasane als Wildtiere in unseren Breiten eigentlich garnicht gab. Ursprünglich stammen sie aus Mittelasien und die hier lebenden Populationen haben sich aus gezüchteten Tieren, die eigens zur Jagd ausgewildert wurde, generiert. Leider begegnete Blaue Feder hier auf ihrem Kiez immer mal wieder Jägern. Sie konnte die Leidenschaft Tiere zu töten, nicht nachvollziehen. Auch ihr Argument, sie würden die Flur bereinigen, überzeugte sie nicht. Die Natur würde vermutlich von alleine in ein viel sinnvolleres Gleichgewicht finden. Es berührte sie noch einmal mehr, welche Ängste die Fasane im Winter überwinden mussten, um im Dorf nach Futter zu suchen, wenn sie in der freien Flur nichts mehr fanden. Sie gingen zu eben jenen Menschen, die sie jagten.
Stammte ‚ihre‘ Henne vielleicht aus einer solchen Fasanen-Zucht? Als sie am Nachmittag noch einmal nach ihr schaute, traf sie die Henne nicht mehr an. Es war der Todestag ihres Vaters, an dem sie ihr begegnet war. Wer weiß, welche Ahnin aus ihr gesprochen hatte?
Als sie nun wieder zu der Stelle kam, sah sie wieder einen Fasan, aber es war nicht die Henne. Es war, als wäre nichts gewesen. Eine Kuh beschmuste einen Stier und die Graue stand still dabei auf einem Bein. Vielleicht war sie zu tief in ihren Krimi getaucht. Sie las gerade einen Roman, den ‚Gesang der Fledermäuse‘ von Olga Tokarczuk, eine Art Krimi, in der die Erzählerin behauptet, die Tiere würde Rache nehmen an ihren Peinigern, den Jägern. Sie erwartete mit Spannung wie sich diese etwas abstruse Geschichte auflöste. – Ob sich das Rätsel mit der Dunkelhenne jemals lüften wird? Da war die Freude über ihre Freiheit. Doch blieb die Frage, ob sie in freier Wildbahn überleben konnte?



Wieder wehte der Teebeuetel im Wind, mal rechts, mal links herum und erinnerte sie daran, mehr Tee zu trinken und abzuwarten.
Auf ihrem Weg zurück blühte ein Mädesüß und hatte wohl vergessen, dass es bereits November war. Sie atmete noch einmal tief den Duft der Wiesenkönigin ein.

Zurück im Dorf, sah sie in einem Garten eine goldene Kugel liegen. Wieder sah sie einen Zaunkönig durch die Hecke huschen. Auf ihrer Runde, hatte sie ihn des öfteren erblickt. Die Kugel erinnerte sie an das Bild, das sie auf dem Seminar zur Weisen Alten mit Cambra Skadé gemalt hatte.

Sie musste auf dem Seminar nichts Großartiges leisten. Cambra erzählte auf dem Seminar ganz kurz von den Maori, deren Älteste, wenn sie über 50 waren, Schweigen durften und waren sie über 60, durften sie sogar schlafen. Ein bisschen war es ihr, als hole sie sich die Erlaubnis ab, nun aus dem Tun mehr ins Sein hinüberzuwandeln. Wenn sie zurückschaute, ob in alten Foto-Büchern oder alten Tage-Büchern, dann berührte sie sehr, was diese Frau, die sie war, alles unternommen hatte, sich und die Welt zu erforschen. Schaute sie sich ihren Königinnen-Mantel an, waren alle diese Erfahrungen in sein Muster eingewebt und es war vollkommen okey, wenn sie sich jetzt mehr losließ und sich Ruhe gönnte.
Auf dem Seminar malte sie ein einfaches Bild – einen ‚Körper im Raum‘. Vielleicht malte sie ihre Sicht auf die ‚Herbstweise und ihre Gaben‘.

Daheim wurde sie schon sehnsüchtig erwartet und gleich kam die Frage, ob sie denn unterwegs geübt hätte, mit der Zunge die Nase zu berühren? – Hatte sie natürlich nicht!

Sie brühte sich einen frischen Brennnessel-Tee auf und kuschelte sich mit Katze und ‚Krimi‘ ans Feuer. Ab und an versuchte sie mit der Zunge ihre Nase zu berühren – sie konnte es nicht. Aber mit jedem Versuch huschte ein zartes Lächeln über ihr Gesicht.
Was für ein schöner Beitrag. Schön, dass Du mir Deine Fotos geschickt hattest. Dankbar habe ich sie aufgegriffen und für einen Beitrag, mit Deiner Erlaubnis, für den kommenden Montag verarbeitet. Der Titel heißt dann „der Tenebrosus Fasan“. Ein paar Zeilen mit Deinen schönen Fotos. Danke dafür.
LG Jürgen
LikeGefällt 1 Person
Lieber Jürgen, da freue ich mich auch auf Deinen Beitrag. Vielen Dank noch einmal und noch ein schönes Wochenende. Liebe Grüße, Susanne
LikeLike
Hi Susanne. Ich habe Dir zu danken. Bleibe gesund.
LG Jürgen
LikeGefällt 1 Person
Liebe Susanne,
vielen Dank für die tollen Bilder und deine Worte über das Groß-Art-ige. Es ist überhaupt nicht einfach, diesen Maßstab, der über groß oder klein bestimmt, abzulegen. Nicht durch diese Brille zu schauen und eher das Passende für sich selbst zu suchen … toll beschrieben!
Lieben Gruß, Christine
LikeGefällt 3 Personen
Danke liebe Christine für Deine Rückmeldung. Vermutlich wird der Blick im Alter einfach etwas zarter, weicher und liebevoller. Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir. Herzliche Grüße, Susanne
LikeGefällt 3 Personen
Das wünsche ich Dir auch! Vielleicht kommt ja die Sonne ein wenig durch … Lieben Gruß, Christine
LikeGefällt 1 Person
Bin sehr berührt, blaue Feder… ein Fasanenwesen beschenkt Dich… so zauberhaft…
der Druck bei mir von der Mutterseite: LEISTEN WOLLEN MÜSSEN, der mir oft noch im Nacken sitzt, den ich mit dem Atemstrom in meine Arme nehme, dann schmilzt der Bedeutungs-Druck und ich kann die kleine Iris wiegen und mich zärtlich um ihre Zerbrechlichkeit kümmern.
Sie hat die längste Zeit ihres Lebens, nicht auf ihre innere Stimme gehört. Ich habe eine Kehrtwende hinbekommen und lebe nicht mehr ihren Traum eines erfolgreichen Lebens mit weltlicher Bedeutung, frei, ohne Kinder, die Welt bereist… was alles außergewöhnlich war – dabei bin ich auf der Strecke geblieben, energetisch, physisch, seelisch.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du mal in mein astrolog. Märchen zur Zeitqualität schaust… DIAMANTWÄCHTER meine neuen Blog-Seite: http://www.naturbuddhas.de
auf der linken Seite.
Das würde mich sehr freuen, vieles was Du schreibst, beschreibst, fühle ich: Mond im Steinbock, Sonne Oppo Saturn, Pluto/Uranus auf dem Doppel-Jungfrau – AC… und so weiter, sei herzlich gegrüßt… Iris
PS. die Krähen flogen heute in riesigen Schwärmen in die Baumwipfel… das sind die Saturnbotschafter in meinem Märchen,
LikeGefällt 1 Person
Liebe Iris,
ja, die Krähenfrau ist gerade sehr präsent. Dein Märchen lese ich gerne heute abend in Ruhe. Herzensgrüße,
Susanne
LikeLike
Was für ein schöner Text 💛✨
LikeGefällt 1 Person
Das freut mich, liebe Nina. Hab einen schönen Tag, Susanne
LikeLike
So sieht es bei uns im Herbst und Winter auch meistens aus. Fanae sind hier auch viele, doch die sehen etwas anders aus. Schöner Text und sehr strimmungsvolle Bilder, mit denen du uns hier wieder einmal verzauberst!
ganz liebe Grüsse aus dem hohen Norden sendet dir Liv
LikeGefällt 1 Person
Diese dunkle Henne ist wohl irgendwo ausgebüxt. In freier Wildbahn ist sie normalerweise nicht anzutreffen. Liebe Grüße zurück, Susanne
LikeLike