Brummen, Summen und Schnurren

Blaue Feder träumte sich durch Nebelfelder. Sie hatte den Eindruck, in ihrem Inneren wurde etwas umgebaut. Passend zum Eintritt der Sonne in das luftige Waage-Zeichen, wurde mit einem großen Krahn eine neue Windkraft-Anlage aufgebaut. Sie gab sich dem Prozess hin.

Die Freundin schlug ihr eine Übung vor, zu Brummen und zu Tönen wie ein Nebelhorn. Sie übten es zusammen und lachten sich schlapp.

Blaue Feder träumte auch in der Großen Stadt auf dem Weg zur Arbeit vor sich hin, verpasste die richtige Haltestellen und landete am Jungfernstieg. Ihr Glück, denn von der Kunsthalle her lachte, naja oder schaute sie eher eindringlich, das Portrait der ‚Träumenden Rebellin Toyen‘ an und so entschied sich Blaue Feder ihr am Abend einen Besuch abzustatten.

Sie tauchte in die farbigen Bilderwelten von Toyen alias Marie Čermínová, einer tchechischen Surrealistin, die am 21.09.1902 in Prag geboren wurde und am 9.11.1980 in Paris verstarb. Es sprachen sie vor allem die Bilder zu Beginn und zum Ende ihres Schaffens an, wo sie sich der Natur und seinen Geheimnissen zuwandte. Auch ihre extrem-breiten und wenig-hohen Formate faszinierten sie. Ein sehr kleines Bild von einer Linde mit dem Titel ‚Zum goldenen Baum‘ berührte ihr Herz. Es müssen wohl nicht immer die großen Formate sein. Als Erinnerung nahm sie sich eine Postkarte mit, die wie ein modernes Grafiti wirkt.

Erschöpft vom Ausflug in die Große Stadt, holte sich Blaue Feder am Abend ein paar Stengel Beifuß aus ihrem Garten für ein Kräuterbad. ‚Lass Dich nicht unterkriegen‘, sagte Artemisia zu ihr. Als sie bei dem Flieder vorbeikam, hörte sie es Summen und Brummen. Sie sah Riesenholz-Wespen die Rinde vom Flieder abnagen. Bevorzugten sie eigentlich nicht Fichten- und Kiefernholz? Das wollte sie sich noch einmal bei Tageslicht genauer anschauen.

Am kommenden Morgen fragte Frau Holle, ob sie sich nicht noch ein paar Hollerbeeren für einen Wintersaft holen wolle? Die Schlehenfrau hatte sie schon gerufen und ihre Beeren lagen bereits im Tiefkühlfach zur Weiterverarbeitung für ein kräftigendes Wintermus.

So stapfte sie am Morgen los in die Hollerbeeren. Schon auf der Baumallee, die aus dem Dorf herausführte, fielen ihr einige Sträucher mit fast überreifen Beeren auf. Blaue Feder hatte im Frühjahr zum Fischevollmond einen Geheimen Weg auf ein privates Waldstück entdeckt. Sie erinnerte sich, dass dort auch einige Holunderbeer-Bäume wuchsen. Sie schaute sich nach dem Weg um, aber er war dicht mit Brombeeren zugewachsen. Sie hörte die Krähen rufen und ihr fiel ein, dass es auf der anderen Seite des Grundstückes noch einen Eingang gab. Dort war zwar ein neuer Zaun gezogen, aber unter dem konnte sie hindurchkrabbeln.

Sie kam zu zwei Buchsbäumen, die sie damals schon entdeckt hatte. Sie dachte, so können Buchsbäume ausschauen, wenn sie wild wachsen. Sie waren bereits größer, als sie selbst. Zu den Holunderbäumen kam sie auch von dieser Seite nicht ohne zerkratze Arme und Beine, also entschied sie sich, einfach ein bisschen zu den Buchsbäumen zu setzen. In ihren Ästen entdeckte sie ein kleines Nest. Wer wohl in dem Nest gewohnt hatte?

Sie setze sich ins weiche Moos und schloß die Augen. Eine Fliege gesellte sich zu ihr. Die Sonne kam heraus, erhellte den Platz und spendete ihr Wärme.

Alles um sie herum wurde lebendig. Sie hatte ein Foto aufgenommem, auf dem war alles unscharf, aber es spiegelte ihr Empfinden am besten wieder. Es fühlte sich an, wie tausend kleine grüne Kreise, die alle miteinander in Kontakt standen.

Blaue Feder hörte Stimmen und machte sich unsichtbar. Das konnte sie ganz gut. Sie löste sich einfach im Grün auf und wurde selbst ein strahlend grüner Kreis.

Dann hörte sie eine zarte Stimme singen. Ein Zaunkönig besuchte sie und setze sich auf einen Ast ganz nahe bei ihr. Nun war wohl klar, wem das Nest einst gehörte. Er sang ganz leise. Das war für den Zaunkönig ungewöhnlich. ‚Mach klein, mach klein!‘ sang er immer wieder.

Auf einmal hörte sie ein ziemlich lautes Brummen und gleich hinter den Buchsbäumen saß eine Riesenholz-Wespe auf einem kleinen Mooshügel. Sie brummte: ‚Du bist die Königin in Deinem Reich. Du entscheidest, was Du machst und was auch nicht!‘

Blaue Feder hörte der Riesenholz-Wespe eine Weile zu und fragte sich, ob sie sich vielleicht schon ein Winterquartier suchte. Riesenholz-Wespen sind meist dort zu finden, wo es totes Holz gab. Sie helfen dem toten Holz sich zu zersetzen. Blaue Feder dachte an den Wilden Wald auf dem Darß. Seit einiger Zeit wurde dort in das Waldleben nicht mehr eingegriffen. Der Wald durfet wieder ein Ur-Wald werden und das tote Holz blieb darin liegen. Es war schön, wenn ein Wald so wachsen durfte, wie er wollte. Sie spürte schon die Lebendigkeit auf diesem kleinen wilden Stückchen Land und war wie beseelt. Das Brummen der Riesenholz-Wespe ging ihr durch und durch.

In der Großen Stadt hatte sie beim Kino eine Ankündigung für einen neuen Film gesehen: ‚Der wilde Wald‘. Auf den freute sie sich schon. Es war auch gerade ein spannender anderer Film angelaufen: ‚Die fantastischen Pilze‘.

Sie verabschiedete sich von dem Platz und ging herüber zur alten Holler und begrüßte sie. Am Rande des Fichtenwaldes standen ein paar Hollerbäume, die ihr gerne ein paar Beeren abgaben. Sie kam eh nur an die Unteren heran und pflückte nur so viele, wie es sich gut anfühlte.

Eine Weile ging sie noch in den Fichtenwald hinein und hörte einen Specht trommeln. Sie lauschte seiner Trommel und es hörte sich für sie so an : ‚Solange wir dem Herzschlag von Mutter Erde folgen, wird für uns gesorgt. Wenn wir in den Rhytmus von Mutter Erde tauchen, müssen wir uns keine Sorgen machen.‘

Sie besuchte den kleinen Spindelbaum am Rande des Waldes. Sie besuchte ihn schon eine Weile, weil er nicht so gut ausschaute. Gleich beim Hof stand ein Spindelbaum mit dicken Blütenknospen. Der sah richtig gut aus.

Hier am Rande vom Fichtenwald sahen die Bäume etwas mau aus. Vielleicht war es hier sehr trocken? Bei ihren Besuchen räumte sie den Platz ein wenig frei, denn hier lag alter Bauschutt herum. In die Pappel nebenan war wohl der Blitz eingeschlagen oder ein Sturm hatte sie umgerissen. – Nun sah sie, dass ‚ihr‘ Spindelbäumchen ein paar neue Blätter bekam und freute sich.

Auf seiner Rinde zeigte ihr das Bäumchen zwei Figuren, die sich umarmten. Das berührte Blaue Feder sehr. Es ging wohl in erster Linie um die freundschaftliche Beziehung zu den Bäumen, den Pflanzen und den Tieren. Manchmal wissen wir vielleicht nicht, wie wir helfen können, aber allein unser Da-Sein kann schon etwas bewirken. Sie fragte den Spindelbaum, ob sie ihm noch etwas Gutes tun konnte? Es antwortet: ‚Spinne den Faden weiter!‘

– Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Sie verabschiedete sich vom Spindelbäumchen und ging durch den Schlehengang. Hier standen Schlehen und Weißdorn beieinander und in ihren Zweigen blieb alles hängen, was Blaue Feder nicht mehr brauchte.

Sie war schon lange nicht mehr bei der Alten Hasel gewesen und so entschied sich, ihr noch kurz einen Besuch abzustatten. Auf dem Weg traf sie zwei alte Frauen mit schlohweißem Haar. Sie hingen in den Büschen und waren scharf auf den Hopfen. Blaue Feder hatte auch mit dem Hopfen geliebäugelt und sich nicht getraut in die Büsche zu klettern. Sie lachte die beiden alten Damen an. Sie ging in den Geheimen Garten und besuchte die Hasel. Dem Hopfen würde sie sich ein anderes Mal zuwenden. Die Hasel schenkte ihr drei Nüsse.

Auf dem Heimweg pflückte sie noch ein paar Hollerbeeren am ‚Großen Fluß‘. Dort waren sie besonders groß und saftig. Sie war wohl lange unterwegs, denn Brauner Bär turnte schon wieder auf der Baustelle rum und entsorgte alte wurmstichige Bretter.

Bevor sie den Hollersaft zubereitete, schaute sie noch nach den Riesenholz-Wespen in ihrem Garten. Es waren einige, die da die Rinde vom Flieder abknabberten. Vielleicht brauchten sie den Brei, um die Winterhöhle der Königim zu schließen? Sie wusste es nicht. Sie hoffte nur, der Flieder nahm keinen großen Schaden oder wussten die Wespen etwas, was sie vielleicht noch nicht wahrnahm? Für’s Erste tat es ihr gut, in das Brummen der Wespen zu tauchen. Du brauchst keine Angst vor Riesenholz-Wespen zu haben, sie nutzen ihren Stachel nur zum Löcherbohren und nicht zum Stechen, auch sie gehören wohl eher der Gattung ‚Träumende Rebellen‘ an.

Dann kochte sie sich ein bisschen Hollersaft für den Winter und eine schöne heiße Tasse gab es gleich. Die Tigerin legte sich auf ihren Bauch und fing an zu schnurren. Zusammen schnurrten sie sich in das Reich von Frau Holle.

Dieses Brummen, Summen, Schnurren und Tönen tat ihr gut und sie erinnerte sich, dass Katzen sich zurückziehen, wenn es ihnen nicht so gut ging und solange schnurren, bis sie genesen sind.

2 Kommentare zu „Brummen, Summen und Schnurren

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