Das Geheimnis der Matrjoschka

Das Geheimnis der Matrjoschka‚ klingt wie ein guter Titel für einen Krimi. Es war still geworden auf dem Schwalbenhof. Klammheimlich waren die Schwalbenkücken flügge geworden und die Herbst-Anemonen erblüht. Sie gehören zu den Windröschen, zur Familie der Hahnenfußgewächse wie die Buschwindröschen.

Blaue Feder träumte von einer alten Textil-Künstlerin. Sie hieß wie ihre Eiche ‚Ayla‘. Sie webte tagein und tagaus die gleichen Bilder. Es machte ihr nichts aus, denn mit jedem Bild, das sie webte, tauchte sie tiefer und tiefer. Es war wohl ihre Art der Meditation.

Nach dem Traum fragte sich Blaue Feder, was sie eigentlich Neues suchte – hatte sich ihre Medizin nicht bewährt? Sie wusste mal wieder nicht wie es weiter ging, aber das war ja immer so. Auf diesem Weg gab es einfach keine Sicherheit.

So ging sie mit Ayla im Traum an der Strand. Auf der rechten Seite waren große Felsen und sie war barfuß. Auf der linken Seite gab es einen Sandweg, den gingen sie entlang und der Sand knirschte zwischen ihren Zehen. Sie machten es sich leicht, dachte Blaue Feder beim Aufwachen.

Nach diesem Traum entschied sich Blaue Feder heute eine Runde an ‚ihren‘ Strand zu gehen. Sie nahm wie im Traum den Weg links, der zum Großen Mondsee führte und setzte sich. Zwei Lachmöwen kamen geflogen und erzählten ihr die Geschichte vom ‚Großen Lachen‘. Das Bild war so unscharf, weil sie unentwegt lachten.

Eine große Blaue Libelle gesellte sich zu ihr und sie lauschten gemeinsam ihrer Geschichte.

Einst, als es still wurde im Land, ging eine Frau, sie war nicht mehr jung und auch noch nicht steinalt an den Großen Mondsee ihre Zeit zu verplempern. Sie legte sich ins Gras und schaute den Wolken zu, die am Himmel immer wieder neue Bilder zauberten. Sie baute Wolkenschlösser und sah Drachen am Himmel fliegen.

Sie sah wie die Blubberblasen im See aufstiegen und sich wieder auflösten.

Mit den Blubberblasen stieg ein Lied in ihr auf, ein Lied von Nina Hagen.

Fisch im Wasser

Sie will ein Fisch im Wasser sein
Im flaschengrünen, tiefen See
Sie will mit Wasser sich besaufen
Und paar Blasen blubbern lassen

Was sie dann will,
Das ist mit Neptun schweigen
Und in Ruhe tun, was sie sonst nie tut
Was sie sonst nicht kann und soll

Sie fragte sich, wann sie zuletzt ausgiebig Zeit verplempert hatte, auf einer Wiese gelegen und sich die Wolken angeschaut hatte? Wann hatte sie zuletzt mit Neptun geschwiegen? Einst praktizierte sie Lach-Yoga am Großen See, so war das ‚Große Lachen‚ zum Großen Mondsee gekommen.

Zur Sommersonnenwende hatte sie hier einen Schlüsselanhänger in Form einer Matrjoschka gefunden.

Passend zum Anhänger würde sie auf dem Heimweg noch einen kleinen Schlüssel auf der Straße finden.

Die Frau ging weiter ihre Runde und kam zur Badekuhle, die in diesem Jahr nicht viele Schwimmer gesehen hatte, war der Sommer im Regen ertrunken. Kein Wunder, stand das Nummernschild der Kuhle 49 auf dem Kopf.

7×7 dreht sich das Rad und dann – steht die Welt Kopf?

Auch der See der Trauerseeschwalben lag schon verwaist da. Nur die Sumpfschafgarbe und die Ackerwinde schwärmten noch von den süßen Trauerseeschwalbenkücken.

Die Frau fand wieder eine blaue Kachel. Sie hatte das Jahr über blaue Kacheln gesammelt. Wie Brotkrumen hatte sie sie aufgesammelt ihren Weg zu finden.

Einen feinen Himmel hatte sie sich zusammengesucht. Heute nun, fand sie die 13. blaue Kachel und plötzlich wurde ihr bewusst, es gab auch weiße Kachel wie die Wolken am Himmel. Es gab auch schwarze Kacheln wie die Schatten der Sonne. Sie fand auch braune Kacheln wie die Erde und farbige Kacheln wie die Blumen. So holte sie den Himmel auf die Erde.

Mit der 13 kommt immer etwas Neues ins Spiel. Die 13 ist die Zahl der Närrin. Heute war Freitag, der 13. August und auf dem Weg der Frau lagen schon die ersten goldenen Blätter der Birke, erzählten vom nahenden Herbst und vom Birkenmädchen. Seine Geschichte würde sie bald am Geschichtenfeuer erzählen.

Daheim legte sie den Schlüsselanhänger zu all den anderen Medzingaben, die sie über das Jahr gefunden hatte in ihr Narrenkastle. Es hatte sich mit vielen Medizingaben gefüllt. Es war an ihr, sie anzuwenden.

In der Ausstellung im Traumausstatter begegnete sie der Matrjoschka wieder.

Was wollte ihr die Matrjoschka erzählen? Normalerweise kennen wir die Matrjoschka als Puppen aus Linden oder Birkenholz, die ineinander verschachtelt sind – 7 oder 9 mal. Blaue Feder hatte tatsächlich als Kind eine solche Schachtelpuppe auf ihrem Regal stehen. Wer ihr wohl die Puppen geschenkt hatte – vielleicht die Oma? Sie mochte diese Puppen mit den Rosen darauf.

Matri oder Mater erinnert an die Große Mutter. Die Matrjoschka erzählt wohl von diesem ursprünglichen mütterlichen Geist.

Die Puppen erinnerten sie auch an ihre Ahninnen, dem Erbe, das von Urgroßmutter zur Großmutter zur Mutter und zur Tochter weitergegeben wird. Sie erinnerten sie tröstlich daran, dass es immer weiter geht und sie nicht allein war. Sie mochte ihre Rätselhaftigkeit, da stets ungewiss war, welche Puppe und Bemalung als nächste folgt. Es gab Puppen, da hatte die Mutter einen schwarzen Hahn im Arm. Das erinnerte sie an das Haus der Baba Yaga auf seinen Hühnerfüssen.

Die Frau sah sich ihre Puppen an und sie wusste nicht wieviele Schichten sie noch ablegen würde, bis sie zu ihrem Kern vorstieß, zu dem, was wesentlich war, was sie vom Wesen her war. Sie hatte sich einst auf den Weg in das Land ihrer Mutterseele gemacht. Die liebende Mutter hatte sie aus dem Herzen heraus gerufen und sie war diesem Ruf gefolgt. Sie ging einfach Schritt für Schritt ihren Weg, nicht wissend, wohin dieser Weg sie führte. Manchmal wurde ihr auf diesem Weg etwas klar und manchmal fischte sie im Trüben.

Wer weiß, vielleicht war in der letzten Puppe das ‚Große Lachen‘ versteckt?

Die Puppen erinnerten sie auch noch einmal an das Märchen von ‚Schweeweißchen und Rosenrot‘, das sie in diesem Jahr begleitet hatte. Es erinnerte sie an die beiden großen Tore, die Wintersonnenwende und die Sommersonnenwende. Blaue Feder hatte im Winter einen Schlüssel gefunden und fand jetzt im Sommer einen zweiten Schlüssel. Vielleicht waren es die Schlüssel für den Himmel und die Erde.

Jetzt war die Zeit von Rosenrot schon fast vorbei. Die schönen Heckenrosen, die so wunderbar geblüht haben, verwandelten sich langsam in Hagebutten.

Sie hatte in der Rote-Bären-Zeit nicht viele Beeren abbekommen. Die Johannisbeeren holten sich allesamt die Amseln und die Erdbeeren die Schnecken. Ihr blieben eine handvoll Himbeeren. Doch die waren wunderbar süß wie auch die Tomaten.

Ein paar Erbsen hatte sie auch ernten können und ein leckeres Erbsen-Kartoffel-Pürree mit frischer Pfefferminze gezaubert.

Vielleicht konnte sie mit dem kleinen Schlüssel auch ihr Tagebuch abschließen? Sie hängte den kleinen Schlüssel an den Anhänger. Sie könnte ihr Tagebuch jederzeit wieder aufschließen, wenn sie wollte, ganz nach dem Motto:Nichts muss und alles kann‘.

Es wird gesagt, wir gehen in eine neue Zeit, in der alles leichter wird. Die Schwere lassen wir zurück. Doch ist nicht beides gleichzeitig da und wir entscheiden uns von Tag zu Tag, von Moment zu Moment neu, welchen Weg wir gehen? Auch hatte es wohl keine Eile, denn in den Pausen weben sich die Einsichten und in der Einkehr, der Stille, wird vieles klarer.

Einst hatte sie einen Satz aufgegabelt und war mit ihm losgezogen, ihn zu erforschen:

Es war an der Zeit die Gesundheit ihres Königreiches aufrecht zu erhalten‘.

Wow, das war ein Satz – an dem knabberte sie schon ein paar Jahre herum. Hatte er sie satt gemacht?

Sie war glücklich, wenn es ihrem Schatz gut ging, sie in der Küche zusammen tanzten und Scherze miteinander machten. Sie war glücklich, wenn die Katzen schnurrten und die Vögel etwas zum Futtern hatten, die Amseln ein paar Äpfel, die Eichelhäher ein paar Erdnüsse und die Eichörnchen Walnüsse. Wenn die Seerosen in ihrem Herzen lachten, dann lachte es auch in ihr.

Eigentlich war es recht leicht. Vermutlich machen wir es selbst komplizierter, damit es nicht so langweilig ist. Ja, lange Weile soll nicht aufkommen, dabei ist sie Futter für unsere Kreativität. Aus der Langenweile können sich spannende Ideen entwickeln.

Das wilde Sommermädchen an der einen Hand und die Alte Weise an der anderen Hand können wir uns unserem Weg anvertrauen, jede und jeder auf ihre und seine Weise. Ab und an können wir uns die Hände reichen und uns gegenseitig erinnern, denn immer mal vergisst die Eine ihrem oder der Andere seinem Herzen zu lauschen. Deshalb sind wir viele, damit die Erinnerung stets wach bleibt. So wird das Wissen weitergetragen von Matrjoschka zu Matrjoschka, von Generation zu Generation, die Alten geben es an die Jungen weiter und die Jungen erinnern die Alten – bis alle Hüllen fallen.

Zurück blieb eine Frau nicht mehr jung und noch nicht steinalt, die, soviel ist sicher, gerne lachte.

Die Lütte schaute sie aus müden Augen an und Heartly grinste sich eins aus seinen neuen Facettenaugen. Libellen bilden wohl keine Puppen aus wie Schmetterlinge, aber sie häuten sich viele Male, bis sie zu der einen Libelle wurde.

Ein Hoch auf das Lachen und vielen Dank für’s Lauschen!

Gerade hatte sie zwei Lachmöwen in der Weltenkiste entdeckt, die liebe Cambra Skadé und die Nana Sturm im Interview. Wie die Lachmöwen vom Großen Mondsee erzählen sie von der Narrenkraft und vom Lachen. Das passte ja mal wieder wie von Zauberhand ganz wunderbar. Cambra kann Euch noch einmal erzählen, was es mit der Narrenkraft auf sich hat und mit dem Lachen. Nana kann Euch bestimmt viel über das Matri-Wissen erzählen.

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